nd-aktuell.de / 06.09.2014 / / Seite 25

Lassalle

Kalenderblatt

Ronald Friedmann

»Das konnte nur Lassalle passieren, bei dem sonderbaren Gemisch von Frivolität und Sentimentalität«, schrieb Friedrich Engels unmittelbar nach dessen Tod an Karl Marx. Fünf Tage zuvor, am 31. August 1864, war der ebenso charismatische wie umstrittene 39-jährige Ferdinand Lassalle bei einem Duell in Carouge nahe Genf von dem offiziellen Verlobten seiner zwanzig Jahre jüngeren Angebeteten getötet worden. Doch Engels stellte auch fest: »Lassalle mag sonst gewesen sein, persönlich, literarisch, wissenschaftlich, wer er war, aber politisch war er sicher einer der bedeutendsten Kerle in Deutschland. Welcher Jubel wird unter den Fabrikanten und unter den Fortschrittsschweinehunden herrschen; Lassalle war doch der einzige Kerl in Deutschland selbst, vor dem sie Angst hatten.« Und Marx, dessen Verhältnis zu Lassalle nicht frei von Differenzen war, konstatierte: »Nach fünfzehnjährigem Schlummer rief Lassalle - und dies bleibt sein unsterbliches Verdienst - die Arbeiterbewegung wieder wach in Deutschland.«

Im Gegensatz zu Marx und Engels, die den Klassenkampf als Weg zu einer Gesellschaft ohne Klassen und Staat sahen, setzte Lassalle (Foto: dpa) auf das Wirken eines starken Staates. Daher verhandelte er sogar mit dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck: »Der Arbeiterstand muß sich als selbständige politische Partei konstituieren und das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht zu dem prinzipiellen Losungswort und Banner dieser Partei machen. Die Vertretung des Arbeiterstandes in den gesetzgebenden Körpern Deutschlands - dies ist es allein, was in politischer Hinsicht seine legitimen Interessen befriedigen kann.«

Die erste »selbständige politische Partei« war der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV), am 23. Mai 1863 in Leipzig gegründet. Lassalle hatte auf Wunsch des Zentralkomitees zur Berufung eines allgemeinen deutschen Arbeiterkongresses einen Programmentwurf verfasst. Die Delegierten des Gründungskongresses wählten ihn zum Präsidenten der neuen Partei und statteten ihn angesichts seines hohen Talents als Agitator und Organisator mit großen Vollmachten aus. Seine Idee eines genossenschaftlichen und preußisch-nationalstaatlichen Sozialismus führte jedoch noch zu seinen Lebzeiten zu Spannungen und Zerwürfnissen innerhalb des ADAV und wenige Jahre nach seinem Tod sogar zur Spaltung der noch jungen deutschen Sozialdemokratie.

Ronald Friedmann