nd-aktuell.de / 09.09.2014 / Kultur / Seite 14

Die Mauer in die Luft jagen

Jubiläumsprojekt vorgestellt

Christian Baron

Es dürfte ein ausnehmend angenehmer Termin gewesen sein für den scheidenden Regierenden Bürgermeister, als er am Montag in die Kulturstätte »Radialsystem V« lud. Hatte der arg unter Beschuss geratene und im Dezember das Handtuch werfende Sozialdemokrat doch endlich mal wieder eine frohe Botschaft zu verkünden: Berlin wartet zwischen dem 7. und 9. November 2014 mit einem umfangreichen Programm zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls auf. Beim blumigen Parlieren über dieses Lieblingsthema vieler staatstragender Kulturschaffender brauchte Klaus Wowereit an prätentiösem Duktus natürlich nicht zu sparen. »Der Mauerfall«, hob der 61-jährige feierlich an, »war ein Glückstag für die ganze Welt.« Ehrensache, dass die Bundeshauptstadt fünf Jahre nach der Dominostein-Aktion zum 20-jährigen Mauerfalljubiläum erneut ein großes Kulturereignis auf die Beine stellt.

Herausfordernd, ergänzte Wowereit, sei auch diesmal die Schwierigkeit, die »Schrecken und Verbrechen an der Mauer oder die Freude über deren Ende« künstlerisch darzustellen, aber »die Dimension der Geschehnisse lässt sich prima über Emotionen vermitteln«. Für die Umsetzung dieser Leitidee zeichneten die Kulturprojekte Berlin GmbH, die Robert-Havemann-Gesellschaft und die Stiftung Berliner Mauer verantwortlich. Herausgekommen ist ein Projekt, das eher den erhobenen Zeigefinger eines Mahnmals impliziert als Jubel, Trubel, Heiterkeit: Eine 15,3 Kilometer lange Lichtgrenze mit »Mauergeschichten«-Ausstellung wird über das gesamte Wochenende im Stadtzentrum den ehemaligen Mauerverlauf zwischen Bornholmer Straße und Oberbaumbrücke nachzeichnen. An 8000 Stelen mit wasserbefüllten Füßen werden ebenso viele Ballons aus Naturkautschuk hängen, denen insgesamt 60 000 Batterien rund um die Uhr weißes Licht einflößen.

»Wir wollen die politische und gesellschaftliche Trennung der Menschen damit deutlich sichtbar machen«, betonte Christoph Bauder, der gemeinsam mit seinem Bruder Marc Bauder die Idee zur Lichtinstallation hatte. Zum Abschluss soll die Lichtgrenze dann am Abend des 9. November in Erinnerung an das Ende der innerstädtischen Teilung effektvoll aufgelöst werden. Alle Interessierten können im Vorfeld eine kostenfreie Patenschaft übernehmen und »ihren« Ballon mit einer mauerfallbezogenen Botschaft versehen, bevor er mit Helium befüllt gen Himmel geschickt wird.

Umrahmt wird dieses zentrale Event durch zahlreiche weitere Veranstaltungen. So wird etwa der offizielle Festakt im Konzerthaus am Gendarmenmarkt stattfinden, zu dem sich neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auch der Friedensnobelpreisträger Lech Walesa und der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow ankündigt haben. In der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße eröffnet am selben Tag eine Dauerausstellung mit dem Titel »1961 | 1989. Die Berliner Mauer«, bei der »die staatliche Repression im Alltag der Menschen« dargestellt werde, wie der Ankündigungstext in braver »Unrechtsstaats«-Rhetorik verspricht.