nd-aktuell.de / 10.09.2014 / Politik / Seite 7

Sorge um die Waffenruhe

Russland befürchtet ukrainischen Angriff auf Donezk / Kiew beklagt vier tote Soldaten

Klaus Joachim Herrmann
Gegenseitiges Misstrauen bestimmt das Verhältnis zwischen Moskau und Kiew. Die Waffenruhe hält aber weiter.

Die vom Krieg gezeichnete Millionenstadt Donezk ist in der Ostukraine die faktische Rebellenhauptstadt. Hier lassen die Aufständischen und Russland besondere Wachsamkeit erkennen. So zeigten sie sich unter Hinweis auf ukrainische Truppenbewegungen am Dienstag »tief besorgt«. Die Zentralmacht ziehe in der Ortschaft Dewalzewo trotz der Waffenruhe 50 Kilometer vor der Industriemetropole schweres Gerät zusammen, wie RIA/Nowosti berichtete. Russlands Außenminister Sergej Lawrow äußerte den Verdacht, dass ein Angriff vorbereitet werde. Allerdings sei von Kiew das Gegenteil beteuert worden und trotz Zwischenfällen halte die Waffenruhe.

Der russische Staatschef Wladimir Putin und sein ukrainischer Kollege Petro Poroschenko hatten am Montag in einem Telefonat vereinbart, ihren Dialog über den Konflikt fortzusetzen. Beide hätten über Schritte beraten, die eine friedliche Beilegung der Krise erleichtern sollten, erklärte der Kreml. Aus Kiew hieß es, die Staatschefs wollten ihre »Aktionen zur Unterstützung einer Waffenruhe« koordinieren.

Nun rechne Moskau auf rasche Verhandlungen über den Status der »Volksrepubliken« Donezk und Lugansk. Partner dafür seien die ukrainischen Behörden und die Chefs von Lugansk und Donezk als Unterzeichner des Minsker Protokolls vom 5. September. Die weiteren Schritte zu dessen Verwirklichung würden derzeit festgelegt.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Kiew seien in der Konfliktregion seit Beginn der Waffenruhe am Freitag vier Soldaten getötet und 29 verletzt worden. Insbesondere aus der südöstlich gelegenen Stadt Mariupol aber auch aus weiteren Gebieten der Ostukraine wurde seit dem Wochenenden wiederholt über Kampfhandlungen berichtet.

Nach den Niederlagen der ukrainischen Regierungstruppen im Kampf gegen die Separatisten im Osten entließ Präsident Petro Poroschenko den Chef der Militäraufklärung, Generaloberst Sergej Gmysa. Offenbar wird ihm nun angelastet, dass die prorussischen Aufständischen am 24. August, dem ukrainischen Unabhängigkeitstag, die Armee mit einer Offensive überraschten.

Vom Sicherheitsrat der Ukraine wurde die Lage in sechs Städten des Donbass als »angespannt« bewertet. Wie dessen Sekretär Andrej Lyssenko erklärte, würden Einheiten der »Anti-Terror-Operation« an einigen Orten von Aufständischen angegriffen, selbst das Feuer nur erwidern. Die Regierungseinheiten sicherten ihre Positionen. Russland bringe an der Grenze Truppen in Stellung.

»Spannungen gefördert« werden aus russischer Sicht auch durch NATO-Manöver, wie die in Moskau erscheinende »Njesawissimaja Gasjeta« betonte. Es sei nicht auszuschließen, dass während des »Sea Breeze«-Manövers nicht nur im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres, sondern auch im Grenzgebiet des Schwarzen und des Asowschen Meeres »Sicherheitsmaßnahmen« trainiert wurden. Doch könne in den Auseinandersetzungen um die strategisch wichtige Stadt Mariupol ein neues Konfliktgebiet entstehen. »In der nächsten Zeit werden die NATO-Schiffe wohl kaum im Asowschen Meer auftauchen«, schrieb das Blatt. »Niemand weiß jedoch, wie sich die Situation weiter entwickelt.« In der kommenden Woche würden etwa 1300 Soldaten aus insgesamt 15 Ländern, darunter aus mehreren NATO-Staaten, in der Westukraine eintreffen. »Das alles trägt wohl kaum zur Entspannung der Lage bei.«

Nach dem Überfliegen einer kanadischen Fregatte durch eine russische Militärmaschine im Schwarzen Meer warf Ottawa Moskau eine »unnötige Provokation« vor. Zwar habe das Flugzeug keine Bedrohung dargestellt, der Vorfall drohe die Spannungen in der Region aber »weiter zu eskalieren«, erklärte Verteidigungsminister Rob Nicholson.