nd-aktuell.de / 11.09.2014 / Politik / Seite 6

Sieben auf einen Streich

Verbändebündnis stellt politisches Maßnahmepaket für bezahlbares Wohnen vor

Gabriele Oertel
Sieben Verbände und Organisationen der Bau- und Immobilienbranche haben am Mittwoch mit ihrem »Deutschland-Plan für bezahlbares Wohnen« einen politischen Forderungskatalog vorgelegt.

Dass Baubranche, Mieter- und Vermieterverbände ohne die oft üblichen Abgrenzungsrituale wie aus einem Munde nach der Politik rufen, macht einmal mehr deutlich, wie ernst die Lage auf den Wohnungsmärkten in den Groß-, Universitätsstädten und Ballungsräumen ist. Natürlich gibt es auch dort Wohnungen, doch oft nur im Luxussegment. Inzwischen fehlen selbst für Durchschnittsverdiener bezahlbare Wohnungen, die Zahl der Sozialwohnungen wird immer geringer - pro Jahr verschwinden durch auslaufende Belegungsbindungen 100 000 davon. Der Neubau von Wohnungen für Normalsterbliche hinkt deutlich hinterher, 40 000 müssten pro Jahr in den Problemgegenden zusätzlich neu gebaut werden, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. Der Problemstau ist seit Langem bekannt - weshalb die Große Koalition nach Amtsantritt im Dezember 2013 eine wohnungspolitische Offensive versprochen hatte und Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) ein Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen ins Leben rief.

Doch nach dem Gruppenbild mit Dame ruht still der See. So still, dass Deutscher Mieterbund (DMB), Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienverbände (GdW), Bundesverband Freier Immobilien und Wohnungsunternehmen (BFW), Bundesverband Deutscher BaustoffFachhandel (BDB) und Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) nun einen kollektiven Weckruf starteten. »Wir müssen bezahlbare Wohnungen im Bestand bezahlbar halten und wir brauchen neue Wohnungen insbesondere im mittleren und unteren Preissegment«, forderte DMB-Direktor Lukas Siebenkotten. Und befand sich in eher seltenem Schulterschluss mit dem GdW-Präsidenten Axel Gedaschko, der politisches Handeln für unerlässlich erklärte: »Der Markt allein wird es nicht richten.«

Die sieben Akteure, die seit Jahren im Verbändebündnis Wohnungsbau zusammenarbeiten, beließen es allerdings nicht bei Appellen an die Politik, sondern legten ein politisches Maßnahmepaket zum Wohnungsneubau vor, mit dem Kaltmieten für Neubauwohnungen deutlich gesenkt werden könnten. Grundlage hierfür bietet eine neue Studie aus dem renommierten Pestel-Institut. Die Wissenschaftler aus Hannover halten es durchaus für möglich, dass die Kaltmieten für Neubauten um mehr als vier Euro pro Quadratmeter sinken, wenn - ja, wenn steuerliche Abschreibungsbedingungen von bisher zwei auf vier Prozent der Baukosten steigen, weitere Finanzkonditionen verbessert, energetische wie kommunale Auflagen auf den Prüfstand gestellt und Baulandkosten reduziert würden. Alles Stellschrauben, an denen Bund, Länder und Kommunen drehen müssten, meinen die Verbände. »Ein ganzer Wirtschaftszweig«, so brachte es Hartmut Goldboom vom Bundesverband Baustoff-Fachhandel vor der Presse auf den Punkt, »wartet auf die entscheidenden Weichenstellungen der Politik.«

Vermutlich hat Frau Hendricks mit derlei Druck gerechnet. Und versuchte also gegenzusteuern. Während Mieterbund-Direktor Siebenkotten noch auf der Pressekonferenz am Mittwochvormittag angesichts der steigenden Wohnkostenbelastung an die von der schwarz-roten Bundesregierung angekündigte, versprochene, aber bislang ausgebliebene Wohngelderhöhung für einkommensschwache Haushalte erinnerte, hatte die SPD-Ministerin inzwischen längst vorgebaut. Am Mittwochnachmittag konnte Siebenkotten mitteilen, dass Hendricks nunmehr eben diese Wohngelderhöhung zum 1. Juli 2015 angekündigt hat. Neben einer Erhöhung des Leistungsumfangs und neuen Miethöchstbeiträgen werde auch die Heizkostenkomponente wieder eingeführt. Letztere war von Hendricks Vorgänger von der CSU, Peter Ramsauer, der in seiner Amtszeit ohnehin nie einen Nerv für Mieter gezeigt hatte, 2010 ersatzlos gestrichen worden.