nd-aktuell.de / 12.09.2014 / Berlin / Seite 12

Rappende Opas gegen Berlins Schmuddel-Image

Lass mal Müll sammeln: Bürger, BSR und Reiner, der Müllroboter, sorgen für mehr Sauberkeit in der Stadt

Caroline Bock
Ein Rentner wird im Kampf gegen Hundehaufen zum Rapper. Die Clubszene tanzt zum Müllsammeln auf der Straße. Berlin wehrt sich gegen den Ruf der Schmuddelmetropole.

Ein Rentner rappt gegen Hundehaufen. Clubgänger ziehen bei einem Rave als Müllmänner und Putzfrauen verkleidet durch die Straßen. Die Stadtreinigung schickt einen Roboter-Mülleimer namens Reiner los, um für Sauberkeit zu werben. In Berlin, das mit Dreck und Pinkelecken schon ganze Generationen von Schülern auf Klassenfahrt verschreckt hat, passiert einiges gegen Müll. Die Hauptstadt kämpft gegen ihr Schmuddel-Image.

Am Freitag und Samstag (12./13. September) gibt es eine große Sammelaktion. In vielen Vierteln packen Freiwillige beim Großreinemachen an. Die FDP will beispielsweise mit Helfern den als Drogenpflaster verschrienen Görlitzer Park saubermachen. Anderorts werden Bänke gestrichen und die Stolpersteine, die an NS-Opfer erinnern, geputzt.

Am 20. September wollen Umweltschützer auf dem alten Flughafen in Tempelhof eine neun Kilometer lange Kette aus 30 000 Plastiktüten bilden, ein Zeichen gegen die Verschwendung von Plastik. Motto der Aktion: »Berlin tüt was.« Wortspiele sind typisch, wenn es in Berlin um Müll geht. »Mach Pankow blanko« oder »Glänzlberg« - solche Aufkleber kleben die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) auf die orangefarbenen Mülleimer in den Bezirken. Die BSR wirbt auch sonst gerne mit Sprüchen wie »We kehr for you« oder gerade »Eimer ist immer für sie da«. Täglich kommen 3500 Tonnen Hausmüll zusammen, den Kehricht auf den Straßen nicht mitgezählt.

Sperrmüll wird in Berlin auf Bestellung abgeholt. Einfach an die Straße stellen darf man ihn nicht. In der anonymen Großstadt stellen sonst schnell andere Leute ihre fleckigen Matratzen oder kaputten Fernseher dazu. »Müll ist magnetisch, das wissen wir«, sagt BSR-Sprecher Thomas Klöckner.

Ein anderes Problem sind Hundehaufen. 55 Tonnen Kot am Tag sollen es laut einer Schätzung sein. Dem Rentner Manfred Gresens stank das Verhalten von nachlässigen Hundehaltern so sehr, dass er sich als Rapper versuchte. In einem acht Minuten langen Internetvideo mit einigen drastischen Beweisfotos machte der 80-Jährige seinem Ärger Luft. Auszüge: »Die Köterhalter scheren sich einen Dreck / und machen die Scheiße einfach nicht weg.« Mittlerweile wurde das Video rund 50 000 Mal auf einer Internetplattform angeklickt: Nicht schlecht für einen Senior aus Britz. »Ich möchte was bewegen«, sagt Gresens.

Auch junge Leute wollen Berlin sauberer machen. Ökobewusstsein ist in der Musikszene schon länger kein Nischenthema mehr. Mit einer Anti-Müll-Demo setzten sich Clubgänger kürzlich in Kreuzberg für die Zukunft von Freiluftpartys ein. Angeblich blieb beim Finale nicht einmal ein Zigarettenstummel liegen. »Die Behörden reagieren gerade sehr aggressiv auf Spontanraves - sehr präventiv«, erklärt Lutz Leichsenring von der Clubcommission, dem Dachverband der Szene. Den Veranstaltern liege aber die Umwelt am Herzen.

Dass Freiwillige Müll sammeln, passiert in Deutschland nicht nur in den Dörfern, sondern auch in den Städten - ob beim »Dreckwegtag« in Düsseldorf oder bei »Hamburg räumt auf«. In Berlin mit seinen 3,5 Millionen Einwohnern ist der Müllberg entsprechend groß. Als Faustregel kann gelten: Je anonymer das Viertel, desto dreckiger. »Je enger die soziale Kontrolle ist, desto bewusster gehen die Leute mit ihrem Umfeld um«, sagt BSR-Sprecher Klöckner. Dass Berlin besonders dreckig sei, stimme »natürlich nicht«. Seine These: Der Eindruck entsteht eher durch die Graffiti und die Schmierereien an den Wänden, nicht durch die Straßen. dpa