Die Ruhe vor dem Sturm?

Sechs Jahre nach der Lehman-Pleite scheinen sichere Banken in Sicht

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Politik dreht an Dutzenden Stellschrauben im Bereich Finanzmarktregulierung: Ob das für eine stabile Zukunft ausreicht, ist jedoch weiter ungewiss.

Das Vertrauen ist zurückgekehrt. »Die Finanzmärkte sind außergewöhnlich ruhig« - mit dieser Aussage überraschte der Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Claudio Borio, am Sonntag die Weltöffentlichkeit. Die BIZ gilt als Zentralbank der Zentralbanken. Ihr mit Spannung erwarteter Quartalsbericht, das Barometer der globalen Geldwirtschaft, zeigt: Der seit 2011 zu beobachtende Abwärtstrend bei Banken scheint gestoppt. Dahinter stehen harte Fakten: EU, Großbritannien und die USA reagieren auf die 2007 ausgebrochene Finanzkrise und die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 mit neuen Regeln für die Finanzmärkte.

Unmittelbar hatten die betroffenen Staaten mit nationalen Erste-Hilfe-Programmen reagiert, um Spareinlagen zu sichern, die Wirtschaft zu stützen und heimische Banken zu retten. Es dauerte dann über zwei Jahre, bis Einigkeit unter den Regierungen herrschte, dass man mehr tun müsse. Eine Folge war die Gründung der G20. Die entwarf auf ihrem Pittsburgher Gipfel im September 2009 die bis heute maßgeblichen Leitlinien. In der EU wurden zudem neue Aufsichtsbehörden aufgebaut und ab November übernimmt die Europäische Zentralbank (EZB) die direkte Aufsicht über 120 private und öffentliche Großbanken, darunter 21 deutsche.

Im Unterschied zur EU wurden in den USA die Krisenbanken zur Kasse gebeten - mit teils zweistelligen Milliardenstrafen. Sanktionen, die auch westeuropäische Banken trafen. Die USA setzen vorrangig auf staatliche Souveränität und stabile Banken - auf Kosten des internationalen Geschäfts. Das wiederum wollen die britischen Banken ankurbeln. Alle drei Ziele in Einklang zu bringen, gilt Ökonomen wie Dirk Schoenmaker als unmöglich.

Neben dem Aufbau neuer Institutionen - Kritiker sprechen von »Wildwuchs« - wurden die Spielregeln verschärft. Banken müssen viel mehr Kapital und Liquidität vorrätig halten und ihr Geschäftsvolumen - eine linke Forderung - wurde auf das 33,3-fache des Kernkapitals gedeckelt.

Die Kapitalanforderungen wurden nach Bedeutung gestaffelt: So müssen systemrelevante Institute wie die britisch-asiatische HSBC (2,5 Prozent), Deutsche Bank (2,0 Prozent) oder Bank of America (1,5 Prozent) mehr Eigenkapital vorrätig halten als die Konkurrenz. Die Regierungen schafften zudem mit dem »Bankentestament« Möglichkeiten, gescheiterte Institute volkswirtschaftlich verträglicher abzuwickeln. Und die Politik erzwang höhere Transparenz bei hochspekulativen »Derivaten«, sorgt sich um Schattenbanken und Verbraucherschutz. Auch die Finanztransaktionssteuer dürfte kommen.

Der politische Druck wirkt: »Die Bankbilanzen sind seit Ausbruch der Krise erheblich geschrumpft«, stellt Michael Seufert, Analyst bei der Nord/LB, fest. Geschäftsmodelle werden einfacher. So fahren Großbanken wie die Credit Suisse ihr Investmentbanking zurück, andere steigen aus Rohstoffgeschäften aus. Der Regulierungszug hat laut einer Studie des Bankenverbandes VÖB mit insgesamt 49 Vorhaben Fahrt aufgenommen. Finanzminister und Notenbankchefs hoffen, bis zum G20-Gipfel im November in Brisbane die wesentlichen Rechtsakte abgeschlossen zu haben.

Kritiker wie Axel Troost (LINKE) oder Sven Giegold (Grüne) beklagen populistische Symbolpolitik, unausgereifte Konzepte und Zugeständnisse an die Lobbyisten. Weltweit unterschiedliche Finanzsysteme (Trenn- oder Universalbanken, Sparkassen, öffentliche Banken) verlangen ferner nach Kompromissen. Aus Sicht der Kontrolleure droht zudem eine Überregulierung: »Das Aufsichtsrecht ist nicht einfacher geworden«, warnt Raimund Röseler von der Bundesfinanzaufsicht BaFin ironisch. Kon- trolle muss auch handhabbar sein.

Der BIZ passt die ganze Richtung nicht: Zur rechtzeitigen Bekämpfung von Spekulationsblasen sieht sie vor allem die Geld- und Finanzpolitik gefordert. Es ströme zu viel Geldkapital auf die Zockermärkte. Die Notenbanken sollten endlich die wichtigen Leitzinsen, die nahe Null liegen, anheben, um billigen Geldnachschub zu drosseln. Einwände kommen auch von großen Akteuren. Sie fürchten Wettbewerbsnachteile, weil die Regeln in je Land unterschiedlich ausfallen könnten. So sorgt sich Deutsche-Bank-Boss Jürgen Fitschen, dass »regulatorische Vorgaben einen größeren Einfluss auf den Unternehmenserfolg als Wettbewerber« haben werden.

Unklar bleibt bis zum G20-Gipfel, ob Obamas Regierung den Kern der weltweiten Bankenregulierung »Basel III« mittragen wird. Schon »Basel II« waren die USA fern geblieben - ein Grund für die Krise. Trotz des jungen Vertrauens kann es auf den überhitzten Aktien- und Immobilienmärkten jederzeit zu einer Kurskorrektur wie 2007/2008 kommen. Mögliche Folge wäre eine weitere Krise.

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