Polizeianwärter sollen Rassismus aufarbeiten

Nordrhein-Westfalens Polizei zieht Konsequenzen aus Skandal um fremdenfeindliches Mobbing gegen Polizeischülerin

  • Anja Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Polizei im Rheinland reagiert mit Suspendierungen und disziplinarischen Maßnahmen auf rassistisches Mobbing von Polizeianwärtern gegenüber einer Kollegin mit Migrationshintergrund.

Bereits in der vergangenen Woche hatte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach einen 19-jährigen Polizeianwärter suspendiert, der eine Kollegin mit Migrationshintergrund rassistisch beschimpft und ein Hakenkreuz in einen ihrer Stifte geritzt hat. Am Dienstag hat der Polizeipräsident nun einen Bericht zu den Vorfällen vorgelegt und das Entlassungsverfahren gegen einen weiteren Polizeianwärter eingeleitet. »Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit haben keinen Platz in der nordrhein-westfälischen Polizei«, sagte Weinspach.

Die rassistischen Vorfälle ereigneten sich in einem Kurs mit 32 Polizeianwärtern aus Aachen, Bonn und Köln an der dortigen Fachhochschule für öffentliche Verwaltung. Über Monate wurde eine 23-jährige Teilnehmerin mit Migrationshintergrund persönlich und in Onlinenetzwerken wie dem Kommunikationsdienst »Whatsapp« rassistisch beschimpft. Der bereits in der vergangenen Woche suspendierte Polizeianwärter soll die treibende Kraft gewesen sein und menschenverachtende Bilder über den Kurznachrichtenkanal verbreitet haben.

Offenbar hat der 19-Jährige aber nicht alleine gehandelt. Die vom Aachener Polizeipräsidenten eingesetzte 15-köpfige Ermittlungskommission hat 100 000 Spuren aus dem Internet ausgewertet. »Wo wir den Nachweis für offene Sympathie und Unterstützung der Täter finden konnten, kennen wir kein Pardon: Rassismus wird konsequent verfolgt und geahndet«, betonte Polizeipräsident Weinspach. Die Ermittler fanden unter anderem das Bild eines verstorbenen Schwarzen mit dem Text: »Der ist wohl eingeniggt«, sowie das Bild eines mit einem Hakenkreuz versehenen Fußballs, unter dem »So werden wir Weltmeister« stand. Die Auswertung der Daten und Zeugenaussagen haben ergeben, dass ein weiterer 22-jähriger Polizeianwärter aus der Region Aachen fremdenfeindliche und rassistische Bilder auf Whatsapp gepostet hat.

Nach Angaben der Polizei sind die beiden bisher nicht in organisierten Strukturen der rechten Szene aufgetreten. Auch sollen sie keine einschlägigen Veranstaltungen besucht haben. In der Region Aachen gibt es eine sehr aktive rechte Szene. Erst im Juli sorgten rechte Hooligans und Neonazis für Schlagzeilen, als Dutzende nach einem Spiel der DFB-Herrenauswahl bei der Fußball-WM eine Kneipe überfallen hatten.

Von den Polizeianwärtern des Studienkurses beobachteten die meisten die Attacken auf die Kollegin, ohne jedoch einzugreifen. Sie müssen sich jetzt gegenüber den Ausbildungsbehörden dafür rechtfertigen. Ein nicht unerheblicher Teil von ihnen müsse mit disziplinarischen Maßnahmen rechnen, so Weinspach - Verweise oder empfindliche Geldbußen.

Nur eine Handvoll Kollegen stand der Polizeianwärterin zur Seite. Einer von ihnen erstattete die Strafanzeige erstattet und setzte die Ermittlungen in Gang. »Er hat Zivilcourage bewiesen«, lobte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Bei Straftaten innerhalb der Polizei gebe es »keine Neutralität, keine Kollegialität, sondern nur einen Weg: Anzeige«, erklärte er. Jäger hat sich inzwischen mit der Polizeianwärterin getroffen. »Die Polizei braucht junge motivierte Menschen mit Migrationshintergrund wie sie«, sagte er danach.

Erst im Juni hatte Jäger eine Kampagne vorgestellt, mit der die nordrhein-westfälische Polizei gezielt Bewerber mit Migrationshintergrund ansprechen will. Um 1500 Anwärterstellen bewerben sich jährlich rund 8000 junge Leute. 2013 hatten 13,1 Prozent der Eingestellten ausländische Wurzeln.

Zu Ausbildungsbeginn werden sich Polizeianwärter in Aachen künftig mit dem Themenschwerpunkt Rechtsextremismus in der Region befassen. »Wir wollen die Anwärter direkt am Anfang der Ausbildung für das Geschehen vor Ort sensibilisieren«, sagte Weinspach. In allgemeinerem Rahmen sei das Problem bereits Teil der Ausbildung. Für die verbliebenen Polizeianwärter in der betroffenen Studiengruppe hat die Verwaltungsfachhochschule Köln ein Programm für die Aufarbeitung der Vorfälle entwickelt, bei dem unter anderem der Umgang mit Provokationen analysiert und trainiert werden soll.

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