Kollegen gegen Genossen?

Hans-Gerd Öfinger über die Tarifauseinandersetzung bei den deutschen Sparda-Banken

  • Lesedauer: 2 Min.

Kann eine Gewerkschaft sich und ihre Mitglieder selbst bestreiken? Diese Frage mögen sich aufmerksame Zeitgenossen stellen, die in diesen Tagen die Tarifauseinandersetzung bei den deutschen Sparda-Banken verfolgen. Schließlich liegen die Wurzeln dieser Genossenschaftsbanken in der guten alten Eisenbahn-Spar- und Darlehnskasse, einer Selbsthilfeeinrichtung der Eisenbahner aus dem späten 19. Jahrhundert. Durch diese Tradition geben in den Aufsichtsräten der bundesweit zwölf regionalen Sparda-Banken nach wie vor Funktionäre der führenden Bahn-Gewerkschaft EVG den Ton an. In den Gremien finden sich aber auch Mitglieder der Lokführergewerkschaft GDL, der Polizeigewerkschaft GdP und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Dass die als »grundsolide« geltenden Sparda-Banken mehreren Millionen Mitgliedern (»Genossen«) und nicht irgendwelchen privaten Großbanken, Großaktionären oder Zockern gehören, lässt manches linke und Gewerkschafterherz höher schlagen.

»Freundlich und fair«, lautet das Sparda-Motto für ihre Kunden. Diesen Anspruch möchten die Beschäftigten auch für sich einlösen. Dazu gehört für sie die Absicherung ihrer Einkommen und Arbeitsbedingungen per Tarifvertrag. Nun gingen dieser Tage in Hannover, Hamburg, Saarbrücken und Mainz die Beschäftigten regionaler Sparda-Verwaltungszentren auf die Straße, um gegen einen mittlerweile acht Jahre andauernden tariflosen Schwebezustand zu protestieren. 2006 hatte ver.di aus gutem Grund die damals von gelben Scheingewerkschaften geschlossenen Tarifverträge abgelehnt, weil diese Verschlechterungen beinhalteten. Seither wirken die alten Tarifverträge nur noch nach. Das Management gestaltet Löhne und Arbeitsbedingungen auf »freiwilliger« Basis.

Diese Spielräume wecken bei etlichen regionalen Sparda-Vorständen Begehrlichkeiten. Ihnen schweben diverse Formen der Einkommenskürzung für ihre Angestellten vor. Beschäftigte, ver.di und EVG fordern deshalb einen Tarifvertrag, der den Status Quo festschreibt und die Zukunft absichert. Die Geschäftslage der Sparda-Banken ist glänzend. Hinweise der Manager auf kostspielige gesetzliche Vorgaben zur Stärkung des Eigenkapitals von Banken laufen bei den Sparda-Banken ins Leere, die nach eigenem Bekunden »konservativ« agieren, extrem riskante Finanzgeschäfte scheuen und so auf einem stabilen Fundament stehen.

Dem Vernehmen nach sitzen die Scharfmacher in den regionalen Sparda-Vorständen in Hannover, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Bayern. Am Montag naht bei den zentralen Tarifverhandlungen in Frankfurt am Main die Stunde der Wahrheit. Es bleibt abzuwarten, ob bis dahin die Sparda-Genossen und vor allem die federführenden Gewerkschafter in den Aufsichtsräten die Scharfmacher zurückpfeifen und einen Tarifvertrag auf Branchenniveau erreichen, der das Etikett »freundlich und fair« verdient.

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