Missbrauch von Megafon ohne Folgen

Polizei verlieh Gerät an Pro-Palästina-Protestierer

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 2 Min.

»Kindermörder Israel«-Rufe über ein dienstliches Megafon der Polizei während einer Demonstration im westfälischen Hagen werden kein Nachspiel für die verantwortlichen Polizisten haben. Innenminister Ralf Jäger (SPD) stellte sich bisher in der Öffentlichkeit nicht gegen die Beamten, die der Versammlungsleiterin einer pro-palästinensischen Demo im August das Megafon auslieh, damit diese »ordnende Hinweise« durchgeben und so deeskalierend auf die Menge einwirken konnte. So der Plan. Einer der 500 Demonstrationsteilnehmer hatte allerdings das Gerät genutzt, um mit »Kindermörder Israel«-Rufen die Menge aufzupeitschen. Die Parole wird von vielen als antisemitisch empfunden, da sie das Stereotyp jüdischer Ritualmorde an Kindern zu bedienen scheint.

Am Donnerstag sagte Jäger im Innenausschuss des Landtags nun zu der Aktion: »Es ist ärgerlich, wenn solche Bilder entstehen.« Der nur wenige Sätze umfassende Ministeriumsbericht jedoch verliert kein kritisches Wort über die Polizeiaktion. »Die Polizei Hagen hätte das Megafon umgehend wieder wegnehmen können. Diese Maßnahme wurde jedoch verworfen, da sie eine ungewünschte emotionale Eskalation einer ansonsten friedlichen Demonstration (…) hervorgerufen (...) hätte«, heißt es.

Das führte am Donnerstag im Innenausschuss des Landtages zu Nachfragen der Opposition. Der Bericht wurde als kurz kritisiert. »In dem Bericht hätte deutlich mehr Gewicht darauf gelegt werden müssen, warum die Polizeikräfte vor Ort nicht gegen das Skandieren von menschenverachtenden Parolen vorgegangen sind«, sagte der Piratenabgeordnete Thorsten Sommer gegenüber »nd«.

Die Staatsanwaltschaft Hagen hatte darauf verzichtet, wegen der »Kindermörder«-Rufe Ermittlungen einzuleiten. »Diese Äußerungen waren strafrechtlich relevant«, befand hingegen Wolfgang Düren, Abteilungsleiter Polizei im NRW-Innenministerium auf einer Innenausschusssitzung Ende August. Düren hatte seinerzeit auch noch von »antisemitischen Äußerungen« gesprochen, für die das Megafon »missbraucht« worden sei. Der Bericht stuft die Parole lediglich als »antiisraelisch« ein.

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