nd-aktuell.de / 20.09.2014 / Wissen / Seite 24

Ein rechter EU-Kommissar

Bildungsrauschen

Lena Tietgen

Als der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Ungarn Tibor Navracsics als Kommissar für Bildung, Jugend, Kultur und Bürgergesellschaft nominierte, gab es eine Welle der Entrüstung, hat sich der Ungar doch als ausgemacht rechter Politiker erwiesen.

Auf stuttgarter-zeitung.de protestierte der Deutsche Kulturrat: «Ein Mann, der gerade die Bürgerrechte beschränkt, der die Pressefreiheit eingeschränkt hat, der den Justizapparat in Ungarn so umgebaut hat, dass man sich wirklich fragen kann, ob es immer noch mit demokratischen Grundregeln zugeht, soll jetzt für diese Bereiche in der Kommission verantwortlich sein.» Dies wolle man verhindern und baue auf den wachsenden Widerstand, auf dass Juncker einlenke. Laut deutschlandradiokultur.de ist der Kulturrat empört, «dass der Bildungs- und Kulturbereich für ›so unwichtig für die Kommission‹ angesehen werde, ›dass man jemanden dafür benennen möchte, bei dem man weiß, dass er das nicht kann und sich gerade einen Namen gemacht hat, dass er in diesem Bereich mit dem Holzhammer vorgegangen ist‹.» Die Gefahr, dass Navracsics auf EU-Ebene so weitermachen würde sei zu groß.

Dagegen sieht tagesspiegel.de «die Personalie eher gelassen». Zum einen sei dies Ressort «beileibe kein zentrales», zum anderen sei Navracsics «kein geborener Scharfmacher». Als Außenminister habe er zu «Ungarns loyaler Rolle in der EU gestanden, für den baldigen Beitritt von Serbien und Montenegro geworben und im Ukraine-Konflikt nur zu bedenken gegeben, die Sanktionen könnten besonders Ungarn wirtschaftlich treffen». Die Ungarn könnten, nachdem sie sich zunächst «Europas gemeinsames kulturelles Erbe und Selbstverständnis angeschaut» hätten, «abgucken »wie Freiheit geht«.

Indes hält ots.at aus Wien die Nominierung Navracsics für ein »erschreckendes Signal«. »Während in Ungarn ein kulturelles und intellektuelles Klima zwischen Depression und Suppression herrscht, während Kulturschaffende und Studierende versuchen, diesem Klima zu entfliehen, weil sie sagen, dort nicht mehr kreativ arbeiten zu können, beruft Juncker einen Mann, der für das Zustandekommen dieses Klimas in Ungarn politisch mitverantwortlich war und ist. Und in seinem Berufungsschreiben an eben diesen Mann betont Juncker die gemeinsamen Werte der EU, deren Förderung zu persönlicher Ausdrucksfähigkeit, gesellschaftlicher Dynamik, sozialer Kohäsion und kultureller Vielfalt beitragen sollen!«

Laut budapester.hu erklärte der EU-Abgeordnete der Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP), Tibor Szanyi, dass die Fraktion der Sozialisten im Europäischen Parlament »die Ernennung von Navracsics zum EU-Kommissar nicht unterstützen« werde. Nun forderten die EU-Abgeordneten der ungarischen Regierungspartei Fidesz, die MSZP möge im »nationalen Interesse Navracsics Ernennung unterstützen« und die Parteipolitik zurückstellen.