Ein Lob des Weibes

Sophie Loren 80

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer den Makel sucht, wird Schönheit finden - der kleine Fehler im System setzt den Akzent. Freilich: Zu groß darf der Makel nicht sein. Wie etwa bei dieser Frau. So riesige Füße. So eine lange Nase. Derart schief stehende Zähne. »Ihre Taille scheint in der Mitte ihrer Oberschenkel anzufangen. Sie läuft wie ein Rugby-Spieler. Ihre Stirn ist niedrig. Ihr Mund ist zu groß.« So das »Time Magazine« mutwillig böse 1962 über Sophia Loren. Eine Vernichtung. Wenn da nicht dieser eine Satz gewesen wäre: »Aber, mamma mia, sie ist umwerfend.«

1962. Da hatte die Ungelenke ein bisschen Schauspielunterricht hinter sich, ein paar »Oben ohne«-Auftritte und Posen für billige Fotoschmöker. Eine Karriere für die Regale der Bahnhofskioske. Bis sie an der Seite von Marcello Mastroianni ans Fließband der Unterhaltungsfilme ging, in einem Jahr bis zu zehn Streifen drehte und sich mählich zur charakterstarken Schönen wandelte. Aus Sophia, der Napolitanerin, wurde die Loren. Hollywood und der Oscar, Festivalruhm und großes Kino - an ihr und an Mastroianni konnte man einmal mehr das untrügliche Feingespür studieren, mit der wirkungsintelligente Produzenten Magnetpaarungen entwickeln: Er mit naiv-bedröppelter Staunensmiene, sie mit mondäner Sinnlichkeit; er treuherzig tapsend, sie triumphal tänzelnd. Er bei allem Wieseln von einer berückenden Männlichkeit, sie bei allem Feuer doch von weich-weiblicher Grazie.

Die Loren, Ehefrau von Produzent Carlo Ponti. Filmpartnerin von Anthony Quinn, Clark Gable, Cary Grant, Frank Sinatra, Richard Burton, Anthony Perkins, Charlton Heston, Paul Newman, Gregory Peck, Jean-Paul Bemondo. Filme wie »Quo Vadis«, »Liebe, Brot und 1000 Küsse«, »Begierde unter Ulmen«, »Und dennoch leben sie«, »El Cid«, »Die Eingeschlossenen von Altona«, »Sonnenblumen«. Sie hat Mütter und Millionärinnen gespielt, Arbeiterinnen und Aristokratinnen. Und: Sie war auch jene schwarze Seide, die sie in einer Episode von »Boccaccio 70« trägt und in »Gestern, Heute, Morgen« von Vittorio de Sica (ihrem wichtigsten Regisseur), wo sie sich für Mastroianni auszieht. 1995 gab es ein Remake dieser Szene in Robert Altmans »Prêt-à-porter« - Mastroianni schläft dabei ein. Eine seltene männliche Reaktion angesichts dieser Frau.

Erinnerung an ihre Weltstar-Existenz in den Sechzigern und Siebzigern befeuert die Hoffnung, den jetzt so aktiven politischen Sprachpolizisten möge niemals gelingen, das Wort »Weib« zu vertreiben. Wenn Bildhauer Alfred Hrdlicka sagte, High Heels seien jene Eigenschaft, die er an Frauen am meisten schätze (das hat er mit Frank Castorf gemeinsam), so steckt dahinter spielerische Lust am Weiblichen. Die bei der Loren, dieser Mutter aller Diven, zu betörenden Verführungsbildern führte. Ein Journalist schrieb, für genau das, was die Loren habe, werde Kino doch gemacht: Hüftschwung, Lachen, die Katzenaugen, das Klackern der Absätze auf den Kopfsteinpflastern nächtlich leerer Plätze. Heute wird sie 80 Jahre alt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal