nd-aktuell.de / 20.09.2014 / Politik / Seite 7

Kretschmann brüskiert Grüne

Im Bundesrat blieb es beim Thema Asyl beim Fäusteballen

Marian Krüger
Mit seiner Zustimmung zur Verschärfung des Asylrechts hat am Freitag Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Phalanx der Grünen im Bundesrat aufgebrochen.

Die Bundesregierung hat im Bundesrat am Freitag einen von den Grünen gegen die Asylrechtsänderung unternommen Blockadeversuch erfolgreich abgewehrt. Baden-Württemberg wechselte in der entscheidenden Abstimmung die Seiten und brachte die Ablehnungsfront von rot-grün und rot-rot regierten Ländern zu Fall. Im Bundestag hatten Grüne und Linke das Gesetz abgelehnt.

Der Bundesrat segnete damit einen politischen Tauschhandel ab - Flüchtlinge aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina können im Prinzip kein Asylrecht mehr beanspruchen, weil ihre Länder nun als sichere Herkunftsstaaten gelten. Im Gegenzug sollen einige Erschwernisse im Ausländerrecht abgeschafft werden.

Das betrifft die Lockerung der Residenzpflicht, die die Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge einschränkt. Wer sich allerdings vorstellt, dass sich die Flüchtlinge nun frei im Bundesgebiet bewegen können, wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge Pro Asyl eines besseren belehrt. »Mehr als eine Entkriminalisierung von Verwandtenbesuchen ist dies kaum.« Ein »Wohnsitzwechsel zum Ort des Arbeitsplatzes oder der Bildungseinrichtung ist weiterhin kaum möglich«, meinen die Asylexperten nach Durchsicht des Kompromisses. Auch bei der Lockerung des Arbeitsverbotes geht es um eher Kleinteiliges. So soll die sogenannte Vorrangprüfung gelockert werden. Sie schreibt vor, dass Asylbewerber erst dann eingestellt werden dürfen, wenn Deutsche oder EU-Staatsbürger nicht zu Verfügung stehen. Die Aufhebung des Sachleistungsprinzips im Asylbewerberleistungsgesetz schätzt Pro Asyl dagegen als Fortschritt ein.

Winfried Kretschmann (Grüne) ist nicht der erste Landesfürst, der sich den Seitenwechsel politisch honorieren lässt. Wenn die Partei- und Fraktionsspitze der Grünen am Freitag mit Kretschmann wegen seines Alleingangs zumindest verbal ins Gericht ging, muss man sich allerdings die Frage stellen, was die Grünen bei den Verhandlungen überhaupt erreichen wollten. Wer die drei Balkanstaaten für Minderheiten nicht für sicher hält, und daran haben die meisten Grünen nie einen Zweifel gelassen, der muss zu einem Gesetz, das das genaue Gegenteil festschreibt, Nein sagen.

In diesem Fall wäre der Bund zu einem Vermittlungsverfahren gezwungen gewesen. Stattdessen hat sich, bevor es dazu kam, die grüne Formation im Bundesrat aufgelöst. Diese vergleichsweise leichte Überwindung des grünen Widerstands in der Länderkammer dürfte im Kanzleramt genau registriert worden sein. Noch vor wenigen Tagen hatten die Grünen angekündigt, den Bundesrat zur effektiven Bekämpfung der Großen Koalition nutzen zu wollen. Auch die unbeliebte Maut und sogar das noch weniger geliebte Freihandelsabkommen TTIP sollten dort am Widerstand der Grünen zerschellen. Kretschmanns Deal hat diese vollmundige Ankündigungspolitik fürs erste gründlich blamiert.