Sarrazin liest für die AfD

SPD-Spitze ist empört über ihren ungeliebten Genossen

  • Lesedauer: 2 Min.

Für einen sozialdemokratischen Politiker wäre es ein Fauxpas, doch Thilo Sarrazin scheint sich selbst vor allem als Bestsellerautor zu sehen: Bereitwillig nahm er eine Einladung der AfD ins niedersächsische Bad Iburg an und stellte am Freitag vor rund 50 Zuhörern sein Buch »Der neue Tugendterror« vor. Die Genossen in der Berliner Parteizentrale brachte der 69-Jährige damit einmal mehr gegen sich auf: Ralf Stegner, Vize-Vorsitzender der SPD, ätzte: »Er sollte sich und uns den Gefallen tun und die SPD verlassen.« Auch Generalsekretärin Yasmin Fahimi meinte, dass die SPD gut ohne ihn auskomme.

Allein der Zeitpunkt von Sarrazins Auftritt in Bad Iburg ist für die SPD-Spitze eine Provokation: Denn erst jüngst hat die AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg viele Stimmen auch im sozialdemokratischen Milieu gewonnen; im Erfurter Landtag hat die SPD gerade einmal einen Sitz mehr als die AfD, im sächsischen Landtag sind es vier Sitze mehr. Nun geht Sarrazin als einstiger Spitzenpolitiker und Ex-Bundesbanker auf Tuchfühlung zur AfD.

Tatsächlich dürfte er mit seinen Thesen zur angeblichen Überfremdung in Deutschland in seinem Buch »Deutschland schafft sich ab« und seinen anti-islamischen Polemiken bei AfD-Anhängern auf Wohlwollen stoßen. Darauf angesprochen gab sich Sarrazin gelassen: »Wären wir auf einer FDP-Veranstaltung gewesen, hätte es da auch viele Berührungspunkte gegeben, bei einer CDU-Veranstaltung auch«, sagte Sarrazin, der offenbar gar nicht daran denkt, aus der SPD auszutreten.

Er wisse zwar um die Kritiker in der SPD, ließ er am Rande des Iburger Auftritts verlauten. Aber er habe auch Fürsprecher und zählte Peer Steinbrück, Klaus von Dohnanyi und Helmut Schmidt auf. Er fände es unsolidarisch, die Partei zu verlassen, fügte er süffisant hinzu. Zumal er erst vor wenigen Monaten eine Ehrenurkunde für 40 Jahre Mitgliedschaft in der SPD erhalten habe. Die Urkunde wurde ausgerechnet von Sigmar Gabriel unterzeichnet, der ihn vor drei Jahren unbedingt aus der Partei haben wollte. Aber ein Ausschlussverfahren scheiterte. Offenbar wird SPD mit ihrem in Ungnade gefallenen Genossen auch weiterhin leben müssen. sot

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