Ach, Helge
Saxofon und Blödelei
Mit Jubel wird die Band begrüßt, »die Hartz IV-Musiker aus Potsdam«. Mit Gejohle und Applaus dann der Blödelbarde höchstselbst, der im sehr engen schwarzen Lederanzug mitsamt Fransen an den Ärmeln und Absatzstiefeln auf die Bühne stakst.
»Der Himmel über Berlin ist blau, ich bin es nicht.« Wortwitz folgt auf platten und plattesten Wortsport in der Begrüßungsansprache von Helge Schneider. Das Tempodrom in Berlin ist am Samstagabend nahezu voll besetzt. »Pretty Joe und die Dorfschönheiten« machen Halt in der Hauptstadt. Hinter Sonnenbrille und riesigem Haarteil versteckt sich der 59-jähre Musiker und Sänger, der zu Beginn so redet, wie er immer redet, wie man ihn kennt aus »Katzeklo« und der »Uhr«. Fitchefitchefatche.
Die »Mutter« mit der Butter im Schrank ist das erste Stück. Helge Schneider lässt den Originaltext schnell ausfransen in sinnfreies Erzählen. Das Stück endet am Synthesizer, die Band läuft zum ersten Mal an diesem Abend zur Hochform auf. Die Phrasen und Halbsätze der folgenden Zwischenreden fallen noch unter den schönen Begriff Blödelei. Das Publikum johlt begeistert. Doch nach der dritten und vierten Gesangseinlage driften die Sprüche ab, zielen geschmacklos unter die Gürtellinie.
Zwei Ausflüge an der Gitarre »irgendwo in den Süden« und nach China begeistern musikalisch. Die verbale Verballhornung der chinesischen Sprache und der »italienisch-spanisch-irgendwas« Verriss bewegen sich auf unterstem Niveau. Das Publikum johlt. Doch nur noch teilweise. Nicht wenige Hände bleiben mittlerweile unten.
An Saxofon, Klavier und Trompete beweist Schneider, der ja eigentlich nichts beweisen muss, dass er nun mal begnadeter Musiker ist, der nur nebenbei blöde Sprüche klopft und Wortsport betreibt. Seinem Publikum scheint er beweisen zu müssen, dass es neben Stammtischwitzen auch noch gute Musik gibt.
Wenn er das Kabel, das an die E-Gitarre muss, fünf Mal (durch die Lautsprecher summend) ans Gesicht und dann wieder (tonlos) aufs Haarteil drückt, bis auch der letzte Depp den »Witz« versteht. Wenn er dann minutenlang mit dem Kabel an der E-Gitarre herumfriemelt, untermalt immer noch vom Summen und Knacken aus den Boxen, er schließlich aufgibt und ohne Verstärker die gestenreiche Rocknummer runter fetzt, dann blitzt da zwar in der ACDC-Anspielung ganz kurz der alte Humor auf. Ab davon ist das ganze peinlich und findet schließlich im auf dem Boden rumkriechenden Sänger Marke abgehalfterter Rock-Opa sein Stimmungstief. Daraus hievt er sich noch mal kurz hervor, wenn er zur musikalischen Vielfalt auch noch die stimmliche stellt und beispielsweise immer wieder in den Lindenberg abrutscht. Komik auf allen Ebenen eben. Auch Blödelei ist Komik.
Ach, Helge, denkt man und nickt, wenn er wiederholt von der Bühne verkündet, dass er ja bald in Rente geht. Lieber jetzt, bevor er endgültig zum traurigen Echo seiner selbst wird.
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