nd-aktuell.de / 04.10.2014 / Kultur / Seite 27

Elefantenschutz im Chemielabor

Wann und wo starb das Tier, von dem das angebotene Elfenbein stammt? Zum Nachweis illegaler Herkunft muss das bekannt sein. Eine neue Analyse-Methode soll helfen.

Walter Schmidt

Bullen des Afrikanischen Elefanten wiegen meist um die fünf, bisweilen auch sieben Tonnen. Es sind mächtige Tiere, doch zum Verhängnis werden den grauen Riesen zwei aus dem Maul ragende Zähne, die zusammen oft nur dreißig oder vierzig Kilo wiegen, selten auch über hundert.

Auf dieses weiße Zahngold haben es schwer bewaffnete Wilderer abgesehen, denn der Handel mit Stoßzähnen und Elfenbein-Schnitzereien blüht. »Die Situation ist unverändert dramatisch«, sagt Dietrich Jelden, Artenschutz-Referent beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn. »Es sterben jedes Jahr in Afrika mehr Elefanten als natürlich nachwachsen.«

Fachleute des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) schätzen die Zahl gewilderter Elefanten in Afrika auf jährlich 20 000, vielleicht auch 25 000 Tiere. Während vor hundert Jahren noch mehrere Millionen Dickhäuter durch Afrika streiften, sind den besten Schätzungen zufolge heute noch 420 000 bis 650 000 übrig geblieben, ungefähr also eine halbe Million.

Letztlich schuld am fatalen Schwund der Elefanten sind reiche Elfenbein-Liebhaber, hauptsächlich in Ost- und Südostasien. Nach UNEP-Schätzungen beträgt der Verkaufswert der in Afrika gewilderten Stoßzähne auf Asiens Märkten bis zu 138 Millionen Euro pro Jahr. »Der Elfenbein-Markt in Fernost boomt, weil generell die Nachfrage nach Luxusgütern durch den wirtschaftlichen Aufschwung dort wächst«, sagt Jelden. Vor allem in China sei Elfenbein begehrt. »Ein hervorragend geschnitzter Zahn kann dort eine halbe Million Dollar kosten.« Deshalb hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (Grüne) den Verkauf von Elfenbein aus Deutschland Mitte September zumindest vorübergehend verboten.

Das große Problem für Artenschützer besteht darin, gewildertes Elfenbein von solchem zu unterscheiden, das aus verschiedenen Gründen noch immer gehandelt werden darf - sei es, weil es aus der Zeit vor Inkrafttreten des internationalen Artenschutzes für Afrikas Elefanten im Jahr 1976 stammt, oder aber aus der Zeit nach 1997: Von da an nämlich durften Namibia, Botswana und Simbabwe sowie seit 2000 auch Südafrika zu bestimmten Zeiten eine festgelegte Menge an Stoßzähnen aus staatlichem Besitz versteigern, weil die nationalen Elefantenbestände sich nach dem dramatischen Rückgang in den 1980er Jahren erholt hatten.

Nach 50 Tonnen Elfenbein im Jahr 2000, die nach Japan gingen, sicherten sich japanische und chinesische Aufkäufer 2008 noch einmal 108 Tonnen. Seither gilt ein neunjähriger Handelsstopp für afrikanisches Elfenbein bis zum Jahr 2018. Mit Stoßzähnen des Asiatischen Elefanten sowie mit Schnitzereien daraus darf ohnehin nicht gehandelt werden.

Doch wie kann man legal verkauftes von illegalem Elfenbein unterscheiden? In China kann jeder Händler mit gefälschten Papieren den Eindruck erwecken, seine Ware stamme aus dem legalen Einmalverkauf im Jahr 2008. Die Exportbescheinigungen für legales Elfenbein zu fälschen, ist nicht allzu schwer. Die Ausfuhrdokumente seien »überhaupt nicht geeignet«, die korrekte Herkunft der Ware nachzuweisen, sagt Dietrich Jelden. »Das ist nur Papier.«

Immer wieder haben deshalb Unterzeichner-Staaten des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) gefordert, ein Laborverfahren zu entwickeln, mit dem sich illegales Elfenbein nachweisen lässt. Seit 2010 verfolgt das BfN das Forschungsprojekt »Ermittlung von Alter und geografischer Herkunft von Elfenbein des Afrikanischen Elefanten«. Grundlage ist die Analyse sogenannter Isotope. Das sind unterschiedlich schwere Atome desselben chemischen Elements, die in der Umwelt entweder natürlich vorkommen oder aber - im Falle radioaktiver Isotope - durch oberirdische Atomwaffentests freigesetzt worden sind. Die Elefanten nehmen sie über Nahrung und Atemluft auf und bauen sie auch in die Stoßzähne ein.

Inzwischen hat das BfN etwa 620 Elfenbein-Proben daraufhin untersuchen lassen, wie hoch ihr Gehalt an bestimmten, natürlich vorkommenden Isotopen der fünf Elemente Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Schwefel ist. Bei allen handelt es sich um stabile Varianten der atomaren Grundform, also nicht um rasch zerfallende, weil radioaktive Spielarten. Der jeweilige Gehalt einer Elfenbeinprobe an den fünf Isotopen dient als biochemischer Fingerabdruck, der gut Aufschluss darüber gibt, aus welcher Region das Elfenbein stammt - vorausgesetzt, man verfügt von dort über eine vergleichbare Referenzprobe.

Bisher gehen noch alle Proben für den Herkunftsnachweis zur Isotopen-Analyse an ein Labor in Jülich. Doch koordiniert von der Internationalen Atomenergie-Behörde in Wien soll ein Ring von Labors in unterschiedlichen Ländern befähigt werden, mit denselben Tests zu denselben Ergebnissen zu kommen. »Ziel ist ein internationaler Messstandard«, sagt Jelden.

Leider gibt es jedoch - trotz der großen Zahl vorliegender Vergleichsproben - noch immer wichtige Lücken. »Uns fehlen am dringlichsten Elfenbein-Proben aus Tansania, Sambia, Kenia und Simbabwe«, bedauert die Juristin Karin Hornig, beim BfN zuständig für die Kontrolle des Handels mit Teilen geschützter Arten oder von Erzeugnissen daraus. »Hätten wir solche, dann würde sich die Verlässlichkeit unserer Isotopen-Methode dramatisch erhöhen, weil dann alle wichtigen Ursprungsländer durch Referenzproben erfasst wären.« Das erst ermögliche eine genaue Zuordnung des Elfenbeins, und zwar anhand einer schon aufgebauten und künftig noch wachsenden Datenbank. »Doch so sehr wir uns um Proben von dort bemüht haben und weiter bemühen, kommen wir dabei seit einiger Zeit nicht weiter.«

Hornigs Amtskollege Jelden ahnt, woran das liegen könnte: »Die Behörden mancher afrikanischer Staaten haben kein Interesse daran, dass unsere Tests aussagekräftiger werden.« Die Beamten dort würden »von den Wilderern oder Elfenbeinhändlern oft geschmiert. Und wir werden dann immer wieder vertröstet«.

Zugeschnitten hat den Isotopentest der Biologe Stefan Ziegler. »Wir können damit den Herkunftsort einer unbekannten Elfenbeinprobe aus Afrika mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent bis auf 250 Kilometer genau zuordnen - oder 83 Prozent der Proben bis auf 750 Kilometer genau«, sagt der Artenschützer von der Umweltorganisation WWF-Deutschland. Für einen Elefanten, der weite Strecken wandert, seien einige hundert Kilometer »nicht viel«.

Allerdings kommt es vor, dass sich selbst zwei weit voneinander entfernte Elefantengebiete in ihren durch Klima, Bewuchs und Geologie geprägten Isotopen-Signaturen so stark ähneln, dass keine eindeutige Zuordnung möglich ist. »Dies trifft beispielsweise für den Osten Burkina Fasos und die Elefantengebiete in Malawi zu«, räumt Ziegler ein. Mehr Isotope zu analysieren wäre möglich, aber auch aufwendiger und teurer.

Ohnehin sei die Isotopen-Signatur »nicht der Kelch der Wahrheit«. Um die Herkunft des Elfenbeins zu ermitteln, brauche man oft weitere Informationsbausteine, zum Beispiel das Wissen um räumlich dazu passende Wilderei-Fälle. Wobei in Afrika - wie in Europa - laut Ziegler »viel altes Elfenbein« im Umlauf sei, das legal gehandelt werden dürfe. Hier hilft dann nur ein zusätzlicher Alterstest, mit dem das BfN inzwischen auch in Deutschland zu klären versucht, ob der Export hier lagernder Stoßzähnen oder Elfenbeinschnitzereien in Nicht-EU-Länder statthaft ist.

Das Alter des fraglichen Elfenbeins ermittelt ein Speziallabor der Universität Regensburg. »Dazu entnehmen wir Elfenbein am Stumpf des Stoßzahns«, sagt Robert Schupfner, der das Laboratorium für Umweltradioaktivität leitet. Am Zahnansatz wird nämlich das jüngste Elfenbein gebildet, und dieses lasse die genaueste Aussage über den Zeitpunkt des letzten Zahnzuwachses und damit über das Todesjahr des betreffenden Elefanten zu. Die Analyse stützt sich auf das radioaktive Strontium-Isotop Sr-90, das »fast ausschließlich durch Kernwaffentests in die Umwelt gelangt ist und ähnlich wie Calcium in Stoßzähne eingebaut wird«; außerdem auf die beiden natürlich vorkommenden Thorium-Isotopen 228 und 232, deren mengenmäßiges Verhältnis zueinander »eindeutig auf den Todeszeitpunkt des jeweiligen Elefanten hinweist«.

Oder besser: auf den Todeszeitraum, denn je nach der Isotopen-Menge in einer Probe kann die zeitliche Genauigkeit des Tests schwanken: um zwei bis zehn Jahre. »Diese Unsicherheit liegt zum Beispiel daran, dass wir mit extrem niedrigen Mengen der - obendrein nur sehr schwach - radioaktiven Isotope von Strontium und Thorium arbeiten«, sagt Schupfner.

Deshalb war es ein Glücksfall, dass die Regensburger Forscher Elfenbeinproben untersuchen konnten, deren Alter bekannt war, weil sie von Zirkus- oder Zoo-Elefanten stammen oder von gut datierbaren Trophäenjagden. Mit diesen Daten konnten die Forscher ihren Altersnachweis kalibrieren, also durch etliche Test-Messungen deutlich genauer machen, so dass »unser Analyse-Ansatz jetzt auch wirklich stimmt und voll einsatzfähig ist«.

Über 600 000 Euro hat sich die Bundesregierung diesen Beitrag zum Elefantenschutz bisher kosten lassen. Zwar sei man beim Herkunftsnachweis »noch nicht bei der totalen Gerichtsfestigkeit der Testergebnisse für einzelne Länder«, räumt Karin Hornig vom BfN ein. Doch sei inzwischen immerhin die sichere Aussage möglich, ob eine Stoßzahn-Probe aus Ländern mit totalem Elfenbein-Handelsverbot stammt - ein echter Fortschritt.