nd-aktuell.de / 07.10.2014 / Kultur / Seite 32

Schönstes Bartgelock

Fabeln von La Fontaine, illustriert mit dreidimensionalen Szenen

Christina Matte

Um pünktlich an ein Ziel zu gelangen, sollte man rechtzeitig aufbrechen. Sich wegducken kann so manches Mal Rettung, Stolz dagegen tödlich sein. Klugheit ist wichtiger als Aufputz ... Gute Ratschläge. Nutzlos und langweilig.

Merke: Die Fabeln des französischen Klassikers Jean de La Fontaine (1621-1695) mögen Belehrungen enthalten, aber wie charmant und intelligent kommen sie daher. Welch treffsichere Charakterstudien bieten die kleinen Lehrstücke. Indem er Tiere porträtierte, soll La Fontaine, der listige Fuchs, sich vor Konsequenzen geschützt haben, wenn er Personen seiner Zeit bloßstellte, die damals jeder wiedererkannt haben dürfte. Obwohl wir heute auf das Vergnügen verzichten müssen, seine Verse konkret zu »entschlüsseln« - aufgeblasene, listige, gierige, betrügerische, dumme Menschen bevölkern allzeit den Planeten. »Als Weggenossen hatte einst/ der Fuchs den Bock./ Der trug das schönste Bartgelock/ und ein gewaltiges Hörnerpaar/ wenngleich er sonst kein/ Wunderexemplar/ von einem starken Kopfe war.« Verse wie diese, die La Fontaines Fabel »Der Fuchs und der Bock« einleiten, beweisen: Poesie altert nicht. Kein Wunder, dass französische Schulkinder noch heute La Fontaines Fabeln kennen und große Freude an ihnen haben. In solch heiter-ironisches Kleid gehüllt, prägt sich die Weisheit der Fabeln ein.


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* Der Hase und die Schildkröte[1]. Die schönsten Fabeln von La Fontaine. Mit Pop-Ups von Thierry Dedieu. Knesebeck. 12 S., geb., 18 €.


Der dritte Band mit La Fontaines Fabeln, den der Verlag Knesebeck nun herausgegeben hat, versammelt »Der Hase und die Schildkröte«, »Die Eiche und das Schilfrohr«, »Der Fuchs und der Bock«, »Der Reiher«, »Der Fuchs und der Storch« sowie »Der Wolf und das Lamm«. Wunderhübsch illustriert mit dreidimensionalen Szenen, die sich entfalten, wenn man eine Seite aufschlägt. Ein wenig ist es dann, als schaue man auf eine Theaterbühne. Aber Vorsicht: So zart und fragil ist das Bühnenbild, dass ein Kind, das es nicht zerstören will, mit dem Buch sorgsam umgehen muss.

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