So essen
 die Ossis

Wendeherbst, Einheitskanzler 
und Merkels Tischsitten

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Noch einmal hat der Kanzler der Einheit zugeschlagen. Wenn auch unfreiwillig. Denn das Buch »Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle«, das am Dienstag der Öffentlichkeit vorgestellt wird, hätte er lieber nicht auf dem Markt gesehen. Verständlich. Was der Altkanzler nach seinem tiefen Sturz dem Journalisten Heribert Schwan über Nachfolger, Parteifreunde und politische Gegner ins Mikrofon diktierte, gereicht denen wie auch ihm selbst alles andere als zur Ehre. Richard von Weizsäcker, Wolfgang Schäuble, Christian Wulff, Norbert Blüm, Wolfgang Thierse, Michail Gorbatschow - sie alle bekommen ihr Fett weg. Dass Kohl seinem Ziehkind, die heute im Kanzleramt regiert, ganz nebenbei attestiert, sie habe nicht mit Messer und Gabel umgehen gekonnt, ist nur eine der vielen Petitessen, mit denen der Ex-Kanzler sich dereinst hervorzutun versuchte - und der Heyne-Verlag das Buch zum Verkaufsschlager entwickeln will.

Doch Kohl hin oder her - die Gedenkfeiern zum heißen Wendeherbst in der DDR vor 25 Jahren werden häufiger und finden mehrheitlich ohne ihn statt. Kein Tag, an dem die seinerzeit sich überschlagenden Ereignisse nicht ihre eigene Jubiläumserinnerung einfordern. Die Gründung der Ost-SPD, die ihre »Väter« und »Mütter« noch selbstbewusst SDP nannten, ausgerechnet am 7. Oktober - dem noch einmal mit viel Pomp von der Partei- und Staatsführung gefeierten 40. Jahrestag der DDR - war ein solcher Meilenstein. Auch wenn die Erfolge der Sozialdemokratie in den neuen Ländern in dem vergangenen Vierteljahrhundert - siehe Sachsen und Thüringen - immer wieder zu wünschen lassen. Wir erinnern daran, ebenso wie an die heißen Oktobertage an der Gethsemanekirche in Berlin, wo Pfarrer Bernd Albani ein dramatisches Kapitel deutscher Geschichte mitgestaltete. Vor genau 25 Jahren - als der spätere Kanzler der Einheit noch gar nicht begriffen hatte, was sich in dem anderen deutschen Staat tut. oer

Seiten 3 und 5

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal