Alter Schill in neuen Schläuchen

Hamburger AfD zerstreitet sich über Rechtspopulisten aus der Ära von Ronald Schill

  • Folke Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Streit um den Einfluss von ehemaligen Gefährten des Rechtspopulisten Ronald Schill traten vier von neun Vorstandsmitgliedern der Hamburger AfD zurück.

Eigentlich steht der Feind ja links, zumindest aus Sicht einer Kraft wie der Alternative für Deutschland (AfD). »Die linke Gewalt zieht sich wie eine Blutspur durch die Stadt«, tönt dieser tage etwa der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Baumann, der für die Bürgerschaftswahl im kommenden Februar auf AfD-Listenplatz zwei kandidiert. Schneidige Sätze können so kurz vor Wahlen nicht schaden, denn schließlich ist Hamburg nach wie vor die historische Hochburg des Rechtspopulismus in der Bundesrepublik.

Ein kurzer Blick zurück: Zwischen seinen Rollen als Boulevardliebling »Richter Gnadenlos« und Privatfernseh-Witzfigur sammelte Ronald Barnabas Schill anno 2001 rund um die Alster mit seiner Partei Rechtsstaatliche Offensive (PRO) auf Anhieb satte 19,4 Prozent der Stimmen ein und stieg damit zum Innensenator der Hansestadt auf. Da verblassen selbst die 12,2 Prozent, die die AfD kürzlich in Brandenburg verbuchte.

Allerdings zerlegte sich die PRO damals fast ebenso schnell, wie sie aufgestiegen war. Kein Wunder also, dass sich in der heutigen AfD viele tummeln, die ihr Heil einst in der Schillriege gesucht haben. Spitzenkandidat Jörn Kruse ist selbst zwar nicht mit Schill verbunden, der Volkswirtschaftsprofessor will »das gute Hamburger Bürgertum vertreten« und nennt die AfD »weltoffen, tolerant und liberal«.

Doch hinter dem 66-jährigen Senior versammeln sich Stammtischexperten verschiedener Radikalitätsgrade: Dirk Nockemann, Schills ehemaliger Parteifreund und Nachfolger als Innensenator, kandidiert auf Listenplatz drei. Peter Lorkowski darf sich auf Listenplatz sieben ebenfalls Hoffnungen auf den Einzug in die Bürgerschaft machen, Karina Weber auf Rang 22 müsste dafür schon viele Vorzugsstimmen auf sich versammeln. Mit Bodo Adolphi und dem einstigen PRO-Fraktionsvorsitzenden Norbert Frühauf sind zwei stadtbekannte Ex-Schillianer bereits in den Bezirksversammlungen vertreten, den sieben Kommunalparlamenten der Hansestadt.

So viel Schill ist manchen zu viel. Die Vize-Landessprecherin Barbara Krüger-Sauermann, Schatzmeister Erich Marquart, Vorstandsmitglied Günther Siegert und Pressesprecher Oliver Scholl legten nach dem Landesparteitag am vergangenen Wochenende ihre Ämter nieder - aus Protest gegen einen zu großen Einfluss von Ex-Schillianern in der Partei, wie das Quartett erklärte.

Besonders Nockemann habe gezielt ehemalige Gefolgsleute in den AfD-Landesverband geholt, um sich und anderen Schillianern von einst günstige Positionen zu sichern, lautet der Vorwurf - der sich in Abwandlung auch an den Spitzenkandidaten Jörn Kruse richtet. »Er war bestrebt, seine Position durch gezielte Platzierung bequemer Gefolgsleute auf der Liste der Bürgerschaftskandidaten zu untermauern«, heißt es in einer Erklärung der vier Kritiker in Richtung des Listenersten.

Kruse kontert seinerseits mit dem Vorwurf, das zurückgetretene Quartett habe sich aus persönlicher Enttäuschung über gescheiterte Kandidaturen zu dem Schritt entschlossen: »Es ist schade, aber auch nicht unnormal, dass die Verlierer einer Kandidatenkür sich nun verletzt fühlen und zurücktreten.« Nockemann und Lorkowski würden »für ihre kompetente Sacharbeit, insbesondere auf dem Feld der inneren Sicherheit, geachtet«. Darüber hinaus seien »weit über 90 Prozent unserer Mitglieder keine ehemaligen Anhänger der Schillpartei«.

Neue Vorstandsmitglieder sollen auf einem Parteitag Anfang November gewählt werden.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal