Super wird nur die Wahl

Politischer Stillstand in Bosnien und Herzegowina

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 2 Min.
In Bosnien und Herzegowina wird am Superwahlsonntag allenfalls mit Verschiebungen gerechnet. Doch für die geschäftstüchtige Politikerkaste sind 137 Ministerposten zu vergeben.

Trotz Stillstand, Krise und einer Rekordarbeitslosigkeit von über 40 Prozent: Verbissen kämpfen die Politgladiatoren in Bosnien und Herzegowina vor dem Superwahltag am Sonntag um die Verteilung der erstaunlich zahlreichen Futtertröge der Macht. Posten gibt es in dem verschachtelten Staatslabyrinth genug zu verteilen. Nicht weniger als 13 Parlamente und vier Präsidenten werden am Sonntag auf Staats-, Teilstaats- und Kantonsebene gewählt. Kein Wunder, dass gut zwei Drittel der Staatsausgaben in die aufgeblähte Staatsverwaltung zurückfließen: Das Land zählt nicht weniger als 137 Minister - plus Stellvertreter.

Zumindest sind sich die geschäftstüchtigen Rivalen gut vertraut: Seit dem Ende des Bosnienkriegs 1995 diktiert weitgehend dieselbe Garde das triste Geschehen auf dem Politparkett des Vielvölkerstaats. Gerade einmal 85 Gesetze wurden von Bosniens Parlament in den vergangenen vier Jahren verabschiedet, bescheidene drei Prozent der vor den Wahlen 2010 gegebenen Versprechen erfüllt. Stattdessen gelten kompromisslose Selbstblockade und ergebnislose Marathonsitzungen als Spezialität der heimischen Politikerzunft. Ihre dürftige Erfolgsbilanz pflegt diese gern mit nationalistischem Gepolter zu vertuschen.

In diesem Wahlkampf war es vor allem Milorad Dodik, der steinreiche Präsident des Teilstaats der Republika Srpska, der mit Lobeshymnen auf serbische Kriegsverbrecher und Abspaltungsdrohungen im Wahlkampf wieder einmal auf die nationalistische Karte setzte. Im ethnisch geteilten Vielämterstaat ist der Stimmenstreit in den beiden Teilstaaten völlig entkoppelt - und verläuft weitgehend getrennt: Nur wenige Kleinparteien treten landesweit an.

Spannung kommt allenfalls in der Republika Srpska auf, wo der allmächtige Dodik und seine SNSD verbissen gegen ein wenig homogenes Oppositionsbündnis um die weichgespülten ehemaligen Nationalisten der SDS um den Verbleib auf ihren Amtssesseln kämpfen.

Ob Bakir Izetbegovic von der zur Türkei hin orientierten SDA, der Medientycoon Fahradin Radoncic vom populistischen SBB oder der frühere Sozialdemokrat Zeljko Komsic mit seiner neu formierten Demokratischen Front DF: Auch im muslimisch-kroatischen Teilstaat der Föderation sind es die vertrauten Haudegen, die im Wahlkampf den Ton angaben. Die sozialdemokratische SDP wird als bislang stärkste Kraft Federn lassen müssen. Die neue DF könnte es sich im Teilstaat der Föderation hingegen auf Anhieb zur stärksten Kraft mausern.

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