Vereint für Kinderrechte

Malala Yousafzai aus Pakistan und Kailash Satyarthi aus Indien erhalten den Friedensnobelpreis

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 5 Min.
Die beiden Friedensnobelpreisträger kommen aus zwei verfeindeten Nachbarländern und setzen sich jeweils für Kinderrechte ein: Malala Yousafzai aus Pakistan und Kailash Satyarthi aus Indien.

Die eine ist jung und von globaler Berühmtheit, der andere ist im gesetzten Alter und war bis dato kaum über die Landesgrenzen bekannt. Die 17-Malala Yousafzai aus Pakistan und der 60-jährige Inder Kailash Satyarthi aus Indien sind die Friedensnobelpreisträger 2014. Der Chef des norwegischen Nobelkomitees, Thorbjørn Jagland, sagte am Freitag in Oslo, beide würden für ihren Kampf gegen die Unterdrückung von Kindern und das Recht aller Kinder auf Bildung geehrt. Yousafzai ist die jüngste Nobelpreisträgerin überhaupt seit der ersten Vergabe 1901.

Zu trauriger Weltberühmtheit gelangte Malala Yousafzai im Oktober 2012: Bei einem Überfall von Taliban auf ihren Schulbus wurde explizit sie ins Visier genommen; sie überlebte schwer verletzt. Aus medizinischen Gründen wurde sie nach Großbritannien geflogen, wo sie durch mehrere Operationen in einem Krankenhaus in Birmingham gerettet wurde. Dort lebt sie mit ihrer Familie noch immer. Aus Sicherheitsgründen ist eine Rückkehr nach Pakistan nicht angezeigt. Dennoch ist es ihr mittelfristiges Ziel, trotz aller Bedrohungen durch Extremisten nach Pakistan zurückzukehren. Sie will Politikerin werden, ihr Vorbild ist die 2007 ermordete Ministerpräsidentin Benazir Bhutto.

Malala Yousafzai zentrales Anliegen ist das Recht von Mädchen auf Bildung. Was sich wie eine Selbstverständlichkeit anhört, ist es in vielen Ländern auf diesem Planeten nach wie vor nicht. Weltweit bleibt rund 100 Millionen Kindern - meist aus Armut - der Schulbesuch verwehrt, mehr als die Hälfte davon sind Mädchen. Neben der Armut kommen dort oft von Männern gesetzte Normen hinzu, die Bildung für Mädchen als Teufelszeug einstufen.

So sehen es auch die Taliban, die in Yousafzais Heimatland Pakistan über nicht unerheblichen Einfluss verfügen, insbesondere im Swat-Tal, der Heimatregion Yousafzais.

Malala wurde in Pakistan schon früh als »Wunderkind« betrachtet. Bereits im Alter von elf Jahren erlangte sie mit einem Blog für den britischen Rundfunk BBC Bekanntheit. Darin beschrieb sie ihr Leben unter den Taliban. Ihr Engagement brachte ihr vergangenes Jahr bereits den Internationalen Friedenspreis für Kinder ein: »Sie schrieb jeden Tag über ihre Leidenschaft für die Schule«, hieß es in der Erklärung zur Verleihung.

Auch in Birmingham setzt Malala Yousafzai ihren Kampf fort: Bei der der Einweihung einer Bibliothek fand sie starke Worte: »Stifte und Bücher sind die Waffen, die Terrorismus besiegen.« So weit ist es allerdings noch lange nicht und zum Terrorismus gehören auch die US-Drohnen in Pakistan, denen nicht selten unschuldige Jugendliche und Mädchen zum Opfer fallen.

Bereits für den Friedensnobelpreis 2013 wurde sie hoch gehandelt, nun hat es die 17-Jährige geschafft.

2013 war von Kailash Satyarthi in den Spekulationen rund um die potenziellen Preisträger vorab so wenig die Rede wie 2014. Ausgezeichnet wird der 60-jährige Aktivist trotzdem und er ist der erste Inder, der den Friedensnobelpreis erhält. Er widmete ihn am Freitag den Kinderarbeitern, für deren Rechte er seit Jahrzehnten kämpft. »Mit diesem Preis finden die Stimmen von Millionen von Kindern Gehör«, wurde er in lokalen Medien zitiert.

Satyarthi hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Kindern eine Kindheit zu verschaffen. Er gründete die Organisation Bachpan Bachao Andolan (Bewegung zur Rettung der Kindheit) und rettete Tausende aus Sklaverei und Schuldknechtschaft.

Allein in seiner Heimat Indien schuften offiziellen Daten zufolge 12,6 Millionen Kinder - sie müssen Müll sammeln, Steine schlagen, Obst an Marktständen verkaufen oder Tee servieren. Satyarthi wurde nach eigenen Angaben mehrfach wegen seiner Arbeit brutal körperlich angegriffen. Satyarthi forderte seine Mit-Preisträgerin Malala zur Zusammenarbeit auf. »Ich lade sie dazu ein, dass wir uns die Hände reichen und einen neuen Kampf für Frieden auf unserem Subkontinent beginnen«, sagte er dem Nachrichtensender NDTV. Indien und Pakistan sind Erzfeinde.

Der Nobelkomitee-Vorsitzende Jagland sagte, in den armen Ländern der Welt seien 60 Prozent der Bevölkerung unter 25 Jahre alt. »Es ist eine Voraussetzung für eine friedliche weltweite Entwicklung, dass die Rechte von Kindern und jungen Menschen respektiert werden.«

Satyarthi habe mit seinen friedlichen Protesten und Demonstrationen »großen persönlichen Mut« bewiesen, urteilte das Nobelkomitee. »Er hat auch zu der Entwicklung von wichtigen internationalen Kinderrechtskonventionen beigetragen.«

Malala hat nach Auffassung des Komitees beispielhaft gezeigt, dass Kinder und junge Leute auch selbst dazu beitragen können, ihre Situation zu verbessern. »Das hat sie unter den gefährlichsten Umständen getan.«

Das Nobelkomitee findet es wichtig, »dass ein Hindu und eine Muslimin, ein Inder und eine Pakistani, den Kampf für Bildung und gegen Extremismus gemeinsam aufnehmen«. Zwischen den Atommächten Indien und Pakistan sind gerade erneut an der Grenze Gefechte mit mehreren Toten eskaliert. Es ist einer der schlimmsten Gewaltausbrüche, seit beide Seiten 2003 ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen hatten.

Die Auszeichnung ist mit acht Millionen schwedischen Kronen (rund 874 000 Euro) dotiert. Das Geld teilen sich beide Preisträger.

Der Friedensnobelpreis wird als einziger der prestigeträchtigen Preise nicht in Stockholm, sondern von einer Jury in Oslo vergeben. Dort wird er am 10. Dezember, dem Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel, auch überreicht. Die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg gratulierte den Preisträgern, ebenso Kanzlerin Angela Merkel und viele andere.

Die deutsche Friedensbewegung nannte die Vergabe an die beiden Kinderrechtler »mut- und ideenlos«, weil es sich nicht um Vorkämpfer für den Frieden handele. mit Agenturen

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