Zu viel Geld, zu wenige Investitionen

Finanzmärkte sind ein Barometer der Weltwirtschaft und warnen vor neuen Unsicherheiten

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Konjunktur kühlt weltweit ab. Es mangelt an Investitionen, vor allem in den weniger industrialisierten Ländern.

Wie mangelhaft die Infrastruktur der Welt ist, zeigt sich derzeit in Asiens Boomregionen: Frachtschiffe müssen vor Hongkong und Shenzhen - Chinas Toren zur Welt - durchschnittlich bis zu 20 Stunden lang auf ihre Hafeneinfahrt warten. Besonders überlastet ist Manila mit über fünf Tagen Wartezeit. In den Seehäfen Ho-Chi-Minh-Stadt (Vietnam) und Nhava Sheva (Indien) gibt es zudem Verspätungen wegen der schlechten Anbindung per Lastwagen und Bahn.

Dabei fehlt es nicht am Geld: Der Reichtum hat weltweit neue Höchststände erreicht - allein in Asien legte er in nur einem Jahr um mehr als zwei Billionen US-Dollar zu, meldete am Dienstag die Schweizer Großbank Credit Suisse. Es mangelt jedoch an der Bereitschaft, Geld real zu investieren, und vor allem an ausländischen Direktinvestitionen (FDI). Sie waren ein wichtiger Treiber für eine nachholende Modernisierung vieler Länder.

Ändern wollen dies nun die Vereinten Nationen. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßte am Montag im Genfer »Palais der Nationen« neben den Spitzen vieler multinationaler Konzerne auch Regierungschefs und Wirtschaftsminister aus Amerika und Afrika, Asien und Europa. Der britische Prinz Charles war ebenso gekommen wie Chefs von Siemens, dem französischen Ölkonzern Total oder dem Rückversicherer Swiss Re. Chinas größter Minenkonzern war präsent und auch Investmentexperten aus Indien, Saudi-Arabien, den Seychellen, Nigeria, Ägypten sowie Thailand. Ziel des viertägigen »World Investment Forums« ist vor allem eine stärkere Einbindung privaten Kapitals in den Ausbau nachhaltiger Infrastruktur. »Es gibt eine wichtige Rolle für den privaten Sektor, um neue Ziele zu erreichen, die allein mit öffentlichen Mittel nicht zu verwirklichen sind«, warb der Generalsekretär der UN-Handels- und Entwicklungsorganisation UNCTAD, Mukhisa Kituyi.

Dabei schienen die Direktinvestitionen wie von selbst im Aufwärtstrend. Laut einem UNCTAD-Bericht stiegen die weitgehend privaten FDI-Zuflüsse 2013 um neun Prozent auf rund 1,5 Billionen US-Dollar und erreichten damit wieder das Niveau von vor der Finanzkrise. Ban Ki Moon sah noch im Sommer einen insgesamt »ermutigenden Trend«.

Doch ein genauerer Blick zeigt die Schwachstellen: Topziel für ausländisches Kapital sind die Vereinigten Staaten - internationale Firmen und Geldgeber investierten dort knapp 187 Milliarden US-Dollar. Auf Rang zwei folgt das reiche China (124), und Energieriese Russland erreichte mit 79 Milliarden den dritten Platz.

Auf der Genfer Konferenz zeigt sich ein Trend hin zu den ohnehin entwickelten Volkswirtschaften. Ihr Anteil werde bis 2016 wieder auf 62 Prozent aller weltweiten Direktinvestitionen steigen - fast wie vor dem Schwellenländerhype in den 2000er Jahren. So ziehen der superreiche Stadtstaat Singapur oder das bevölkerungsarme Australien mit seinen 20 Millionen Einwohnern weit mehr ausländische Investitionen an als selbst Aufsteiger Mexiko (über 120 Millionen Menschen), der immerhin noch unter den Top Ten landet.

Dahinter geht es steil bergab. Beispiel Afrika: Zwar nahmen die Investitionen nicht zuletzt dank der Landoffensive Chinas und arabischer Staaten in den vergangenen Jahren wieder zu, liegen aber noch zwei Milliarden Dollar unter dem Spitzenwert von 2008. Und der FDI-Trend in den weniger entwickelten Ländern dürfte angesichts geopolitischer Unsicherheiten weiter absacken.

Der Wirtschaftspolitiker Fabio De Masi von der Linkspartei hält Öffentlich-Private-Partnerschaften, wie sie in Genf vorbereitet werden, für einen Irrweg. Die G20-Staaten sollten lieber »investieren statt privatisieren« und das Steuerdumping internationaler Konzerne unterbinden. Der Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, forderte Bundesregierung und EU zu einer Neuverschuldung zugunsten staatlicher Investitionen auf. Und auch die meisten Notenbankchefs sorgen sich um die Weltwirtschaft. Sie forderten auf der Herbsttagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds neue staatliche Konjunkturprogramme.

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