Selbst Decken werden knapp

Bayerische Flüchtlingspolitik in der Krise

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die bayerische Flüchtlingspolitik ist massiv in der Krise: Neben der Stadt München hat nun auch die Staatsregierung einen »Krisenstab Asyl« eingerichtet, der am Dienstag zum ersten Male zusammentrat.

»Angesichts der schwierigen Situation bei der Erstaufnahme von Asylbewerbern in München hat der Ministerrat heute die Einrichtung eines ›Krisenstabes Asyl‹ unter Leitung von Sozialministerin Emilia Müller und Staatskanzleichef Dr. Marcel Huber beschlossen«, so lautete am Dienstag die Meldung aus dem Bayerischen Kabinett. Um 12 Uhr mittags traf sich der staatliche Krisenstab zum ersten Mal im bayerischen Sozialministerium an der Winzererstraße in München. Dabei ging es um die Einrichtung eines Lagezentrums, soll der Krisenstab Asyl doch »die vorhandenen Kommunikationsstrukturen und Informationswege zwischen den Beteiligten bündeln und effektiver gestalten« sowie »kurzfristige Entscheidungen ermöglichen«. Diese »Task-Force« solle die Abläufe in der Verwaltung beschleunigen, so Sozialministerin Müller (CSU). Nach den bisherigen Prognosen sollte Bayern im Oktober 880 Asylbewerber pro Woche aufnehmen. Tatsächlich seien aber alleine in der letzten Woche 1910 Menschen in Bayern angekommen, um hier Asyl zu beantragen, mehr als doppelt so viele wie prognostiziert.

Der von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) einberufene »Stab für außergewöhnliche Ereignisse« hat in seiner ersten Sitzung am Montag bekräftigt, dass in der Bayernkaserne wegen Überfüllung bis auf weiteres keine Flüchtlinge mehr aufgenommen werden. Ausgelegt ist die Unterkunft für maximal 1200 Flüchtlinge. Derzeit wohnen dort nach Angaben der Stadt mehr als doppelt so viele Menschen. Die Zustände in der Flüchtlingsunterkunft waren so chaotisch, dass manche Menschen sogar im Freien schlafen mussten. Dabei sinkt das Thermometer derzeit nachts auf bis zu 5 Grad.

Die vorübergehende Schließung der Bayernkaserne für Neuaufnahmen gelte solange, bis alle sich in der Erstaufnahmeeinrichtung befindenden Flüchtlinge registriert sind und gegebenenfalls an andere Standorte weitervermittelt werden können. »Außerdem bleibt die Kaserne so lange für Neuaufnahmen geschlossen, bis für Flüchtlinge wieder menschenwürdige Umstände herrschen«, so Reiter. Er warf der Bayerischen Staatsregierung politisches Versagen und absolute Hilflosigkeit vor. Sie habe es versäumt, den Zustrom der Flüchtlinge rechtzeitig zu kanalisieren und zu koordinieren.

Es fehle an Personal zur Registrierung der Neuankommenden, an Unterbringungskapazitäten und an Betreuungspersonal. Nun sollen städtische Angestellte dringend benötigte Amtshilfe leisten. Besonders schlimm: Teilweise haperte es sogar bei der Lebensmittelversorgung. Zudem fehlte es an warmer Kleidung und Decken.

Mittlerweile werden in München und ganz Bayern Notunterkünfte für Asylbewerber gesucht. So wurde im Münchner Kapuzinerhölzl ein Zeltlager mit inzwischen vier Zelten eingerichtet und das Technische Hilfswerk hat die Zelte mit Feldbetten ausgestattet. Statt 180 leben dort jetzt über 200 Flüchtlinge. Besonders die medizinische Versorgung der Flüchtlinge sei schwierig, viele Flüchtlinge bräuchten Behandlung, so der betreuende Kreisjugendring. Die Bayerische Ärzteinitiative für Flüchtlingsrechte hat derweilen die Unterbringung von Asylbewerbern in München und Fürstenfeldbruck kritisiert. So würden in der Münchner Bayernkaserne auch Familien mit Säuglingen in einer riesigen, zugigen Halle untergebracht.

Die Halle sei zudem tagelang nicht beheizbar gewesen. Kritik üben die Ärzte auch an der Situation von Flüchtlingen in einem ehemaligen Unteroffizierswohnheim in Fürstenfeldbruck. Die Asylbewerber müssten in mehreren Sälen in dichten Reihen von Doppelstockbetten schlafen, die Toiletten seien nur über eine Treppe oder einen Gang durchs Freie erreichbar, dabei lebten dort auch Familien mit Kindern im Rollstuhl sowie behinderte Jugendliche.

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisierte die weißblaue Flüchtlingspolitik. »Die Bayerische Staatsregierung ist verantwortlich für die derzeitige chaotische Situation in Bayern. Anstatt den Städten und Landkreisen die Lösung der Probleme zu überlassen, sollte sie jetzt einen eigenen Beitrag leisten. Wir fordern deshalb die Staatsregierung auf, in der Staatskanzlei und den Gebäuden der Ministerien großzügig Platz freizuräumen. Denn jedes feste Gebäude ist allemal besser für die Unterbringung geeignet, als Zelte im Stadtgebiet«, so Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.

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