Bomben statt Hilfe für Kurden in Kobane

Türkei fliegt erstmals Luftangriffe auf Stellungen der PKK seit Verkündung der Waffenruhe im März 2013

  • Fulya Ozerkan, Diyarbakir
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Kämpfe um Kobane haben auch Auswirkungen auf die PKK in der Türkei. Die Luftwaffe fliegt Angriffe auf die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans.

Angeheizt durch den Vormarsch der Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) in der nordsyrischen Kurdenstadt Kobane droht der Kurdenkonflikt innerhalb der Türkei zu eskalieren: Die türkische Luftwaffe griff am Montagabend erstmals seit Ausrufung einer Waffenruhe vor anderthalb Jahren Stellungen kurdischer Rebellen im Südosten an, wie Sicherheitskreise gegenüber AFP bestätigten. F-16-Kampfjets hätten Bomben auf Stellungen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) abgeworfen.

Angaben zu Opfern wurden nicht gemacht. Türkischen Medienberichten zufolge feuerten auch Militärhubschrauber auf mehrere PKK-Einheiten. Aus denselben Sicherheitskreisen hieß es, zuvor hätten PKK-Rebellen drei Tage lang eine Polizeiwache im Dorf Daglica unweit der irakischen Grenze beschossen.

Die PKK hatte im März 2013 eine Waffenruhe ausgerufen, zudem wurden Friedensverhandlungen mit der Regierung in Ankara aufgenommen. Der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan hatte unlängst mit Abbruch des Friedensprozesses gedroht, sollte Kobane direkt an der türkischen Grenze vom IS erobert werden. Er gab der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan bis Mittwoch Zeit, um auf die Kurden zuzugehen.

In den vergangenen Tagen gab es in der Türkei teils gewaltsame Demonstrationen von Kurden, die von Ankara Hilfe für die syrischen Kurden bei der Verteidigung Kobanes verlangen. Dabei wurden Dutzende Menschen getötet. Doch weigert sich Ankara bislang auch, trotz massiven internationalen Drucks seine Luftwaffenstützpunkte für Angriffe der internationalen Koalition auf den IS in Syrien zu öffnen.

Seit Wochen bombardiert eine US-geführte Allianz IS-Stellungen - zunächst in Irak, inzwischen aber auch in Syrien. Dennoch eroberten die Ex᠆tremisten am Montag ein Schlüsselgebäude in der Stadtmitte von Kobane und trieben die kurdischen Verteidiger in die Nordhälfte der Stadt, wie die oppositionelle syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Die IS-Milizionäre hätten sich vom Osten vorgekämpft und kontrollierten nun die Hälfte der Stadt, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman.

US-Präsident Barack Obama wollte im Laufe des Dienstags auf dem Luftwaffenstützpunkt Andrews in der Nähe von Washington mit ranghohen Militärs der 21 Allianzländer über den Kampf gegen den IS beraten - zum ersten Mal seit Beginn der Angriffe gegen die Dschihadistengruppe. Viele Länder schickten ihre Generalstabschefs, auch Deutschland war vertreten. Obama brachte seinerseits Generalstabschef Martin Dempsey zu dem Treffen mit. Trotz der Luftangriffe konnten die Extremisten auch in Irak bislang nicht erfolgreich bekämpft werden.

Im Kampf gegen IS hat Frankreichs Präsident François Hollande die Türkei aufgerufen, ihre Grenze zu Kobane zu öffnen. »Die Türkei muss unbedingt ihre Grenze öffnen«, damit den »syrischen Kurden« in Kobane geholfen werden könne, sagte Hollande am Dienstag in der Hauptstadt Paris.

Hollande nannte Kobane eine »Märtyrerstadt, eine symbolische Stadt«. Frankreich sei solidarisch mit denen, die gegen den »Terrorismus« kämpften. Er rief dabei auch »alle betroffenen Staaten« auf, die derzeit nicht an der internationalen Koalition gegen den IS beteiligt sind, Waffen an die gemäßigte syrische Opposition zu liefern. »Wenn wir intervenieren müssen, wie wir es für Frankreich in Irak beschlossen haben, dann müssen wir der gemäßigten syrischen Opposition auch jede Unterstützung, jede notwendige Hilfe zukommen lassen.« Die Gegner von IS müssten »ganz einfach die Mittel« erhalten, »sich gegen den Terrorismus zu verteidigen«.

Trotz zahlreicher US-Luftangriffe gegen IS-Stellungen in und um Kobane konnte der Vormarsch der Islamisten bisher nicht gestoppt werden. Frankreich fliegt Luftangriffe gegen den IS lediglich in Irak. Deutschland liefert Waffen an die Kurden in Irak, eine militärische Hilfe für die Kurden in Syrien lehnt Berlin bislang ab.

Ein AFP-Reporter berichtete am Montag von Detonationen zweier Autobomben im Norden der Stadt. Sollte der IS den letzten Fluchtweg aus Kobane zum türkischen Grenzübergang Mursitpinar erobern, wäre die Stadt vollständig eingekesselt. »Dann werden sie ein Massaker starten«, sagte Fejsa Abdi, ein Politiker, der aus Kobane in die Türkei geflüchtet ist. AFP

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