Signal für mehr Bürgernähe

Max Bank fordert ein verpflichtendes Register der EU für Transparenz im Brüsseler Lobbydschungel

  • Max Bank
  • Lesedauer: 3 Min.

Schätzungsweise 15 000 bis 25 000 Lobbyisten machen tagtäglich ihre Arbeit im Brüsseler Lobbydschungel. Zwei Drittel darunter sind Unternehmenslobbyisten. Die EU-Politik ist stark davon beeinflusst, weil sie bei Gesetzen auf die von außen kommende Expertise angewiesen ist und zudem oft traditionell eng mit der Business Community zusammenarbeitet. Das zeigt sich derzeit zum Beispiel bei den Verhandlungen zum TTIP-Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU. 93 Prozent aller Gespräche der EU-Kommission im Vorfeld der Verhandlungen fanden mit Unternehmensvertretern statt; den Rest der Gespräche durften sich Gewerkschaften, Verbraucherschutzorganisationen und zivilgesellschaftliche Akteure teilen. Es lassen sich also massive Machtungleichgewichte bei der Interessenvertretung auf europäischer Ebene verzeichnen, die auch ihren Niederschlag in der europäischen Gesetzgebung finden.

Bereits seit Jahren fordert LobbyControl deshalb gemeinsam mit anderen Organisationen aus der Zivilgesellschaft mehr Transparenz im Brüsseler Lobbydschungel. Denn mehr Transparenz ist die Grundvoraussetzung dafür, dass gesellschaftliche Machtungleichgewichte zur Sprache kommen können. Die wichtigste Maßnahme dazu ist ein verpflichtendes Lobbyregister, in dem sich jeder eintragen muss, der auf EU-Ebene seine Interessen vertritt.

Bislang liefert das freiwillige Lobbyregister nur unzureichende und oftmals falsche Informationen. Da die Registranten selbst für ihre Angaben zuständig sind und eine Kontrolle der Angabe durch das Register-Sekretariat praktisch nicht erfolgt, sind die Daten oft wenig plausibel. So beschäftigt etwa der italienische Verband »Italian National Association of Tax Consultants« nach eigenen Angaben eine Lobby-Armee von 5000 Lobbyisten - bei Lobbyausgaben von 50 000 Euro. Zahlreiche Akteure wie etwa die global agierende Investmentbank Goldman Sachs registrieren sich erst gar nicht. Und das, obwohl sie Lobbyarbeit betreiben. Ähnliches gilt für Anwaltskanzleien, die sich konsequent der Registrierung verweigern.

Es kommt hinzu, dass das freiwillige Register nur mit unzureichenden Suchfunktionen ausgestattet ist. Ein Ranking nach Lobbyausgaben oder der Anzahl von Lobbyisten beispielsweise kann mit der Onlineplattform nicht erstellt werden. Dem hat zwar das Onlinetool LobbyFacts.eu von LobbyControl, Corporate Europe Observatory und Friends of the Earth Europe Abhilfe geleistet. Hier kann man nun nachschauen, wer den Angaben des Registers zufolge die TOP-10 der deutschen Unternehmen nach Lobbyausgaben sind. Dennoch bleiben die Daten des Registers zu fehlerhaft und unvollständig, um für ausreichende Transparenz zu sorgen.

Das europäische Parlament hatte bereits zu Ende der letzten Legislaturperiode die EU-Kommission dazu aufgefordert, ein verpflichtendes Lobbyregister einzuführen. Es scheint nun so, als ob die neue Juncker-Kommission die bisherige Blockadehaltung der Behörde aufbricht und sich für diese Idee öffnet. Zwar wurden aus lobbykritischer Perspektive fragwürdige Kandidaten zu Kommissaren ernannt. So wird der Ex-Finanzlobbyist Jonathan Hill Finanzmarktkommissar, der ölindustrienahe Miguel Arias Cañete Klima- und Energiekommissar, was wiederum den Lobbyeinfluss in Brüssel stärken dürfte. Aber dennoch: Sowohl Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker selbst als auch der zuständige Kommissar für interinstitutionelle Beziehungen Frans Timmermans haben sich während der Anhörungen durch das Europäische Parlament für das verpflichtende Register für alle drei EU-Institutionen - Kommission, Rat und Parlament - ausgesprochen.

Das ist ein Grund zur Hoffnung und ein wichtiges Signal für Europa. Die Skepsis gegenüber der EU und der europäischen Demokratie hat tendenziell zugenommen. Dies ist nicht zuletzt mit dem starken Einfluss von Lobbyisten auf die Politik zu erklären. Es war also überfällig, dass die EU-Kommission gegensteuert und Maßnahmen für mehr Bürgernähe und Transparenz einleitet. Auch bevor es zu einer Einführung des verpflichtenden Registers kommt, könnte die Kommission bereits handeln und beispielsweise nur noch Gespräche mit denjenigen Interessenvertretern führen, die sich auch im Lobbyregister registriert haben. Jetzt gilt es abzuwarten und zu beobachten, ob den begrüßenswerten Ankündigungen der letzten Wochen auch Taten folgen.

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