nd-aktuell.de / 16.10.2014 / Der Heppenheimer Hiob

PoWi mit'm Barth

Roberto de Lapuente
Mario Barth deckte mal wieder auf. »Denn es geht um Ihr Geld«, sagte er im Trailer zu seiner Show und tat dabei so, als wolle er sich zum Rächer der gerechten Steuerzahler aufschwingen. Aber seine Sendung mildert nicht die Politikverdrossenheit – sie ist sie.

Jüngst war mal wieder so ein langweiliger Samstagabend. Wir drückten von Sender zu Sender und landeten bei einem Best of von »Verstehen Sie Spaß?«. Sie zeigten gerade einen Film mit Mario Barth, wie sie ihn aufs Glatteis führen. Es ging um die Planung seiner Show im Berliner Olympiastadion und man setzte ihn einen Typen vom Ordnungsamt vor die Nase, der ihm das Feuerwerk am Ende der Show verbat. Er wedelte mit Statuten und Verordnungen und Barth wurde langsam sauer. Irgendwann platzte er. Er schimpfte auf »die da oben« und rief laut, dass es ein freies Land sei und es hier eine Verfassung gäbe. Wowereit mache nur Party und überhaupt: »Det ist doch nüsch die DDR, wa!« Er redete sich in Rage. Und bei allem menschlichen Verständnis für seine Aufregung, man sah doch deutlich: viel politische Ahnung hat der Mann nicht.

Das wäre an sich nicht weiter schlimm, wenn dieser Mann, der sein Feuerwerk scheinbar für ein Grundrecht hält, nicht auf seinem Stammsender RTL eine Sendung leitete, die sich einen politischen Anstrich gegeben hat. »Mario Barth deckt auf!« nennt sich die Sendung. In den Trailern verspricht Barth, er werde Steuerverschwendungen auf die Spur gehen. Investigativ sozusagen. Er ist im Auftrag des Steuerzahlers unterwegs. Dieses »Schwarzbuch des BdSt«-TV verbindet alberne Scherze, Showelemente und die kalkulierte Empörung über Staatsbedienstete, Behörden und die Steuererhebung als solche.

Klar, es gibt Steuerverschwendungen. Wahrscheinlich nicht mal wenige. Aber braucht es da nicht mehr als einen mittelmäßigen Komiker, der überdies nicht mal viel Ahnung von der ganzen Materie hat? Der so tut, als sei die Steuer ein legalisierter Diebstahl? Ich meine, wer Showelemente seiner Bühnenshow damit rechtfertigt, dass man hierzulande eine Verfassung hat, der kann nicht wirklich im Bilde sein. Höchstens vielleicht in der »Bild«. Barth aber steht bei RTL im Ring und wirkt wie einer dieser Männer, die am Freitagabend mit den Stammtischbrüdern ihre ganzen Zorn ablassen. Man ruft »Skandal!« und bestellt sich noch ein Glas. Er ist der Prototyp eines Wutbürgers, wie ihn sich sein Fernsehsender vorstellt. Ein lächerlich Empörter, der laut Krawall schlägt, aufgebracht ist und auf zänkisch macht, aber dabei keine argumentative Substanz in petto hat. Sein Publikum dankt es ihm. Es fühlt sich von ihm adäquat vertreten. Endlich mal einer, der es »denen da oben« so richtig unter die Nase reibt.

Ich nehme an, dass er polemisch wirken möchte, aber das scheitert grandios, denn die Polemik setzt Kenntnis voraus und an denen mangelt es ihm dramatisch. Sein PoWi, seine Gemeinschaftskunde ist kein Beitrag zur Bekämpfung der allgemeinen Politikverdrossenheit. So was kommt dabei raus, wenn Politikverdrossene einem trommelnden Ahnungslosen dabei zusehen, wie er ihnen die Welt erklärt. Diese Politisierung der Spaßgesellschaft entpolitisiert. Sie ist ein Surrogat, das so tut, als sei der Gemeinschaftssinn etwas, was man ohne Tiefgang und mit allerlei Faxen und Stinkwut veranstalten könne. »Mario Barth deckt auf!« will keine Argumente, kein Verstehen und keine sachhaltige Kritik, sondern Unterhaltung mit kleinen Empörungsspitzen. Das Publikum will klatschen und gezielte Momente der Aufregung. Und es will lachen. Alles möglichst ohne Anspruch. Irgendwie politisch – aber nicht zu sehr.

Mario Barth deckt mehr zu als auf. Sein Agitprop will darauf hinaus, dass der Staat ein Krake ist, aber das Privatfernsehen und seine unter Vertrag stehende »Zivilgesellschaft« bringt alles wieder ins Lot. Man muss also nicht verdrossen sein. Barth kümmert sich. Aber es ist ein Kümmernis, dass so einer Menschen »politisieren« will. Und wir wundern uns nachher über Esoteriker und ahnungslose Wutbürger, die montags auf die Straße gehen.