Verlässliche Fakten zur Abkühlung

Eine neue Publikation offenbart, wie die Ukraine ins Visier imperialer geostrategischer Interessen geriet

  • Anton Latzo
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf der Frankfurter Buchmesse fand diese Publikation reges Interesse. Und sie wird viele weitere Leser finden, die an der Wahrheit über den Konflikt und den Kampf um die Ukraine interessiert sind. Der Band versammelt verschiedene Sichten auf das Thema, bietet Betrachtungen aus verschiedenen Blickwinkeln an. Die Beiträge sind von Kennern der Materie verfasst, die unmittelbar mit den Ereignissen konfrontiert waren und sind oder sich über lange Zeit journalistisch oder wissenschaftlich mit der Region beschäftigen.

Man habe sich zu dieser Publikation entschieden, so der Journalist und Herausgeber der Zeitschrift »Ossietzky« Eckart Spoo im Vorwort, »weil das weltpolitische Klima immer heißer« wird: »Zur Abkühlung brauchen wir dringend verlässliche Informationen.« In diesem Sinne verweist sein österreichischer Kollege Hannes Hofbauer auf wichtige politische Prozesse in der Ukraine und zeigt, wie sich mit der »Orangenen Revolution« der Kurswechsel in der Ukraine weg vom Partner Russland hin zum atlantischen Bündnis vollzogen hat. Wichtige soziale und ökonomische Bedingungen für diesen Schwenk werden von Thomas Immanuel Steinberg und Hofbauer in getrennten Beiträgen dargestellt. In diesem Zusammenhang sei auch auf den Beitrag von Reinhard Lauterbach hingewiesen, dessen Gegenstand der grassierende Nationalismus in der Westukraine ist, der als ideologische Grundlage aktueller politischer Programme diverser Kräfte sowie der Außenpolitik in Kiew dient.

Die Expansionspolitik der Europäischen Union und deren Großmächte - mit der Bundesrepublik Deutschland an führender Stelle - wird von Jürgen Wagner herausgearbeitet. Ein zentraler Platz kommt dabei den Vorgängen um den Abschluss des Assoziierungsabkommens zwischen EU und Ukraine zu. Kritisch diskutiert wird ebenso die NATO-Osterweiterung. Ein Tableau der politischen Kräfte des Imperialismus im Kampf um die Ukraine und gegen Russland skizziert Kurt Gritsch; er untersucht die Bedeutung der Ukraine im Kontext mit den Veränderungen der NATO- Strategie. Jochen Scholz behandelt, dazu passend, »Worum es geht«. Die Ukraine-Krise ist gemäß dem Konzept von US-Präsidentenberater Brzezinski eine geopolitischen Konstante auf dem eurasischen Kontinent.

Matthias Rude erörtert in seinem Beitrag »Die gekaufte Revolution« die Einflussnahme von Geheimdiensten, NGOs und verschiedensten ausländischen Stiftungen auf die Vorbereitung und auf den Verlauf der antiukrainischen und antirussischen Aktionen. Mit den Vorgänge auf dem Maidan befasst sich Thomas Eipeldauer detaillierter. Er analysiert, wie berechtigter Sozialprotest von der äußersten Rechten okkupiert und instrumentalisiert wurde. Der Autor weist darauf hin, dass der rechte Sektor und diverse neofaschistische Gruppen zunehmend eine zentrale Rolle auf dem Maidan spielten und es ohne deren Gewaltpotenzial wohl kaum so rasch zur einer derartigen Eskalation gekommen wäre, die letztlich den gewählten Präsidenten Janukowitsch zur Flucht zwang. Zu diesem Komplex gehört auch der Beitrag von Sebastian Range. Unter der Überschrift »Blutige Wende« berichtet er vom Einsatz von Scharfschützen auf dem Maidan. Thomas Eipeldauer zeigt, wie der Protest auf den Platz von den Oligarchen missbraucht wurde und wird. Susann Witt-Stahl kommt zu dem Schluss, dass die neue Regierung der Ukraine nach einer Gesellschaft ohne (linke) Opposition strebt.

Range beleuchtet auch die Ereignisse auf der Krim im Kontext innen- und außenpolitischer Vorgänge. Seine Analyse beruht auf Dokumenten, die hierzulande nur wenig oder gar nicht bekannt sind. Er schlussfolgert, dass man von einer Annexion der Krim nicht sprechen könne; es sei es zu einer Sezession gekommen, die von einem Referendum gebilligt wurde. Ihr folgte der Antrag zum Beitritt zur Russischen Föderation, den Moskau annahm.

Kai Ehlers beschäftigt sich mit der Ukraine-Frage unter Berücksichtigung der Strategie des USA-Imperialismus zur Bewältigung der »asiatischen Herausforderung« und der Tendenz »zu einer multipolaren Welt«. Schließlich konstatiert Christoph Jehle: »Da stimmt etwas nicht.« Sein Beitrag versucht, den ominösen Absturz des Fluges MH 17 über der Ostukraine zu beleuchten. Westlichen Pauschalvorwürfen und Diffamierungskampagnen stellt Peter Vonnahme mit seinem Beitrag »MH 17 - Der Glaubwürdigkeits-Gau« kluge Fragen entgegen, die zu des Pudels Kern vorstoßen.

Mit der Rolle der Medien beschäftigen sich drei weitere Aufsätze. Volker Bräutigam weiß: »Herrschaft beginnt mit der Sprache.« Er seziert den Missbrauch des Begriffs OSZE-Militärbeobachter in den Nachrichtensendungen der ARD. David Goeßmann klagt »Berichterstattung mit Schlagseite« an, enthüllt Halbwahrheiten respektive Schweigen. »Einspruch unerwünscht«, konstatiert Sabine Schiffer immer dann, wenn kritische Stimmen sich zu Wort melden wollen. Sie fragt, warum die bei TV-Sendern wie auch Redaktionen eingehenden zahlreichen Aufforderungen von Bürgern nach mehr Sachlichkeit und Objektivität ignoriert werden und keinerlei Korrekturen am einseitig vermittelten Bild erfolgen.

Dieses Buch ist eine einzige Anklage. Es offenbart, wem der Konflikt um und der Krieg in der Ukraine nützt - nicht den dort lebenden Menschen, sondern einzig und allein den USA und der EU, insbesondere der Bundesrepublik Deutschland. Geboten wird eine Fülle von aufklärenden Fakten und Informationen. Diese Publikation offenbart nicht nur die nach wie vor ungebrochene Aggressivität des Imperialismus, sondern veranschaulicht auch die Gefahren, die sich daraus für Europa und für Stabilität und Frieden in der gesamten Welt ergeben.

Roland Thoden/Sabine Schiffer u. a.: Ukraine im Visier. Russlands Nachbar als Zielscheibe geostrategischer Interessen. Selbrund. 316 S.,. br., 16,80 €.

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