Seelsorge bei einer Tasse Tee

Schwester Inge ist die Chefin vom Café »Innehalt« der Berliner Stadtmission und hat für jeden ein offenes Ohr

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Etwas trinken, in einem Buch lesen oder in den Auslagen stöbern. Wer möchte, findet zudem bei Schwester Inge, im Café-Lädchen »Innehalt« an der Lehrter Straße, immer ein offenes Ohr.

Hier ist für Hektik kein Platz. Die bleibt draußen und geht in der Anonymität der Großstadt unter. Schon beim Weg vom Berliner Hauptbahnhof in die nur wenige Meter entfernte Lehrter Straße wird der Lärm der Magistrale weniger und die Schritte des Einzelnen sind zu hören. Und plötzlich steht man auf dem Gelände der Berliner Stadtmission, die dort diesen einzigartigen Ort anbietet.

Bei schönem Wetter sitzen Besucher vor dem Haus mit dem knallroten Logo über dem Eingang. Manche essen und trinken eine Kleinigkeit, so wie in anderen Gaststätten auch. Aber trotzdem ist es anders. Nicht nur, weil Ehrenamtliche die Gäste freundlich bedienen, sondern weil vor allem Schwester Inge dem »Innehalt« eine ganz besondere Atmosphäre gibt.

Sie hat den kleinen Treffpunkt in den vergangenen Jahren gemeinsam mit ihrem Team aufgebaut. Entstanden ist ein Raum, in dem jeder Gast wertgeschätzt und willkommen ist. Bei einem Tee oder Kaffee soll er erzählen können: über Ängste und Schwierigkeiten und das Leben überhaupt. Und ebenso Fragen stellen - über Gott beispielsweise.

»Der da oben« begleitet die 75-Jährige schon sehr lange. Ganz bewusst entschied sie sich mit 23 Jahren dafür, ihr Leben als Diakonisse zu gestalten. Hingebungsvoll trägt sie auch heute noch die Tracht: ein schlichtes, schwarzes Kleid mit weißem Kragen und einer weißen Haube. Auf der Brust steckt ein auffälliger Button, der ihre Haltung zur Arbeit im Café ausdrückt: Service mit Herz.

Dass das keine leeren Worte sind, kann jeder spüren. Inge Kimmerle umarmt die junge Frau, die gerade eintritt, streicht einem anderen Besucher liebevoll über den Arm und lobt die ehrenamtlichen Mitarbeiter. Sie läuft durch das kleine, gemütliche Café, zieht eine Tischdecke gerade, stellt ein Buch ins Regal zurück und befestigt vorn im Laden ein Preisschild. Ein zufriedenes Lächeln geht über ihr Gesicht und sie sagt: »Es war eine richtige Entscheidung, nach Berlin zu gehen.«

Zuvor lebte sie mehr als 30 Jahre in Freiburg und hatte dort ebenfalls ein Geschäft hinterm Bahnhof eröffnet. Genau wie jetzt in Berlin gab es dort gespendete Antiquitäten, Bücher, Karten, Schmuck und Kleider, aber eben auch eine Tasse Kaffee, menschliche Wärme und Lebensberatung.

Schwester Inge lernte in den vergangenen Jahren viele Menschen kennen, deren Schicksale sie berührte und denen sie half. Sei es der junge Mann, der nach Drogenkonsum und Rückschlägen endlich seinen eigenen Weg gefunden hat. Oder die ältere Dame, die plötzlich ihren Mann verlor und nicht mehr weiter wusste. Inge Kimmerle hörte ihnen zu und kümmerte sich. Sie versteht es immer wieder, aus scheinbar ausweglosen Situationen noch etwas Hoffnung herauszuholen. »Gott gibt mir die Kraft dafür«, sagt sie bestimmt.

Zum selbst Innehalten bleibt ihr allerdings im Café keine Zeit. Die interessanten Gespräche gehen oft Schlag auf Schlag. Spannend findet sie es, wenn solche Begegnungen nach kurzer Zeit zu tief greifenden Unterhaltungen über geistliche und weltliche Themen führen.

»Wir bewundern, was Schwester Inge hier leistet«, sagt Ortrud Wohlwend von der Berliner Stadtmission. Die Hilfsorganisation der evangelischen Kirche betreibt derzeit sechs ganz unterschiedliche Läden in der Hauptstadt. Nur im »Innehalt« wird auch Seelsorge angeboten. Alle Erlöse des Cafés fließen in Projekte der Berliner Stadtmission, wie etwa die Kältehilfe und Wohnhilfen.

Café und Lädchen »Innehalt«, Lehrter Straße 68, 10557 Berlin. Öffnungszeiten: montags bis Freitag, 12 bis 17.30 Uhr (Telefon: 69033530).

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