nd-aktuell.de / 18.10.2014 / / Seite 25

Fritz Saar

Kalenderblatt

Jürgen Hofmann

Ein Sozialdemokrat, der von seiner Partei vergessen ist - das Schicksal von Fritz Saar ist kein unikates.

Über Kindheit und Jugend des vor 125 Jahren am 21. Oktober in Minden/ Westfalen Geborenen Fritz Saar gibt es kaum Informationen. Bekannt ist lediglich, dass er als Koch und Kellner beginnt, sich früh gewerkschaftlich organisiert und der SPD beitritt. 1910 ist Saar Angestellter des Gastwirtsgehilfenverbandes in Berlin. Ob er mit Begeisterung der Einberufung in den Ersten Weltkrieg folgt, wissen wir nicht. Belegt ist, dass er im November 1918 Mitglied des Berliner Vollzugsrates und Vertreter der Ostfront ist. Der 1. Reichsrätekongress verzeichnet ihn als Delegierten. Ab 1919 ist Saar Bevollmächtigter des Gastwirtshilfenverbandes, der sich ein Jahr später mit anderen Teilgewerkschaften der Branche zum Zentralverband der Hotel-, Restaurant- und Caféangestellten erweitert. 1930 übernimmt er dessen Vorsitz.

Drei Jahre später muss auch Saar Deutschland verlassen. Er emigriert in die Niederlande. In Amsterdam betreibt er eine kleine Privatpension. Von hier aus schickt er Rundbriefe ins Reich und unterstützt Emigranten. Die Zusammenarbeit mit Kommunisten gegen die Nazis ist für den langjährigen Sozialdemokraten eine Selbstverständlichkeit. Er unterhält Kontakte mit Wilhelm Knöchel, der von Amsterdam aus den Widerstand in Deutschland aufbauen soll. Ein Gestapospitzel kann von Saar enttarnt werden.

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Niederlande werden Saar und seine Frau verhaftet und nach Berlin überstellt. Der »Volksgerichtshof« verurteilt ihn zu lebenslanger Zuchthausstrafe, die er in Brandenburg-Görden verbüßt. Seine Frau Martha muss für acht Monate ins Zuchthaus.

Nach der Befreiung engagiert sich Saar trotz Krankheit sofort für den Wiederaufbau der Gewerkschaften und der Kommunalverwaltung in Berlin. So gehört er im Juni 1945 zu den Initiatoren des provisorischen Vorstandes der Gewerkschaft der Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Nach Bildung der IG Nahrung-Genuss-Gaststätten ist er auch in deren Vorstand. Im Berliner Bezirk Mitte amtiert er als Stadtrat und dann als Bürgermeister in Friedrichshain. Er spricht sich für die Vereinigung mit der KPD im April 1946 aus und tritt als Kandidat der SED zu den Kommunalwahlen im Herbst an. Für einige ehemalige Parteifreunde wird er damit zum Abtrünnigen.

Der Rastlose findet eine neue Aufgabe als Treuhänder der Aschinger AG und beim Wiederaufbau der Mitropa. Mitarbeiter charakterisieren ihn als »edlen und hilfsbereiten Menschen«. Ein Herzschlag reißt Fritz Saar am 3. September 1948 aus dem Leben. Sein Romanmanuskript »Rebellen«, in dem er Biografisches verarbeitete, ist leider nicht überliefert. Beigesetzt auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde findet die Urne 1951 Aufnahme in die Gedenkstätte der Sozialisten. Jürgen Hofmann