Kein G 9 in Hamburg

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Initiatoren des Volksentscheids zur Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums (G 9) in Hamburg berufen sich auf wissenschaftliche Untersuchen, wonach das G 8 sowohl zur Abflachung des Bildungsniveaus als auch zur Überforderung der Schüler geführt habe. Auf mopo.de zeigt sich Schulsenator Ties Rabe »froh« darüber, dass »Hamburgs Kindern eine solche Gewalt-Reform erspart« bleibe, bräuchten die Schüler doch »endlich Ruhe zum Lernen«. Diese Argumentation ist für 3fachVater »hanebüchen: erst selber über Jahre das Schulsystem umstülpen und gewachsene, bewährte, faire und erfolgreiche Schulformen streichen für ein ineffizientes, unterfinanziertes ›Luxussystem‹ und dann, nachdem das eigene, ideologisch verblendete Ziel erreicht wurde, behaupten, es muss mal Ruhe reinkommen! Es geht um mehr als 8 oder 9 Jahre Schule: es geht um Bildungsqualität, Persönlichkeitsentwicklung, Demokratiefähigkeit.«

Der kürzlich auf stern.de etablierte Bildungs-Blog nimmt sich dem Thema ebenfalls an. Dessen Autorin sprach sich dabei für die Beibehaltung des achtjährigen Gymnasiums aus: »Am Ende müssten alle 60 Hamburger Gymnasien beides anbieten: G 8 und G 9. Dann würde in den nächsten Jahren alle Energie in die Umsetzung der neuen Lehr- und Stundenpläne gehen. Die Klassen würden geteilt, Gemeinschaften zerrissen. Es bräuchte mehr Lehrer, mehr Räume und Platz für moderne Unterrichtsformen. Das alles kostet Geld. Wie soll das funktionieren? Am Ende werden die Kinder leiden, nicht die Eltern. Vielleicht sollte die Initiative ihre Ansprüche an Schule überdenken und den Kindern nicht ihre Erfahrungen überstülpen.«

Dem antwortet stellvertretend Musiklehrer: »Ich kann dem nicht zustimmen. Als Musiklehrer habe ich den Umbruch von G 8 zu G 9 erlebt. Den Kindern bleibt kaum noch Zeit für Hobbys oder Sport. Die Schule geht bis 15 oder 16 Uhr, dann noch Hausaufgaben, lernen und ab ins Bett. Immer mehr Psychologen-Verbände schlagen Alarm, weil die Kinder schon in frühen Jahren Burnout-Symptome zeigen. Ist das richtig? Trotz Stress am Gymnasium konnte ich zwei Instrumente erlernen, ab 14 in einer Band spielen und hatte genug Freizeit. Natürlich würde der Schritt zurück zu G 9 Geld kosten. Doch in erster Linie hat der Schritt zur G 8 gekostet: Geld, Nerven, Kindheit, Gesundheit. In diesem Sinne stimme ich zu: der Artikel ist einfach schlecht und arbeitet an den Interessen der Kinder vorbei.«

abendblatt.de kann dem Scheitern der G 9-Initiative Positives abgewinnen. »Erst die Volksinitiative hat den Druck erzeugt, der zu konkreten Veränderungen an der G 8 geführt hat, beispielsweise zu mehr Doppelstunden, besser abgestimmten Klausurterminen und einer Begrenzung der Hausaufgaben. Das verdient große Anerkennung.« Lena Tietgen

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