Normalität nicht in Sicht

Griechische Regierung sieht Aufschwung - sonst keiner

Es ist üblich, dass Regierungspolitiker das Blaue vom Himmel versprechen, aber nur selten werden sie dafür postwendend abgestraft. Dass Letzteres in Griechenland jetzt eintraf, zeigt, dass der Staat noch weit von Normalität entfernt ist.

Der konservative Ministerpräsident Antonis Samaras hatte vor wenigen Tagen angekündigt, sein Land könne ab 2015 ohne Hilfsgelder aus dem Ausland auskommen und wolle eine vorsorgliche Kreditlinie des Euro-Krisenmechanismus ESM beantragen, um für Eventualitäten bei der Rückkehr an die Finanzmärkte gewappnet zu sein. Auch ließ die Regierung zuletzt keine Gelegenheit verstreichen, um die Erfolge ihrer Politik anzupreisen: Im laufenden Jahr erzielte man bisher einen Primärüberschuss (ohne Zinslast) von 2,5 Milliarden Euro und 2015 soll es sogar einen insgesamt ausgeglichenen Haushalt geben. Und nach sechs Rezessionsjahren wuchs die Wirtschaft 2014 wieder leicht (bislang um 0,6 Prozent). Gerade die wichtige Tourismusbranche verzeichnet Rekordübernachtungszahlen.

Ende des Jahres läuft das zweite EU-Hilfsprogramm aus - ein drittes möchte Athen nicht beantragen. Und in Washington führte man kürzlich Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über eine vorzeitige Beendigung des laufenden Kreditprogramms. Samaras möchte die harten Kontrollen der internationalen Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF loswerden, um bei den Wahlen im kommenden Jahr überhaupt Chancen zu haben.

Denn die Griechen selbst hören längst nicht mehr hin, wenn die Regierung einen angeblichen Aufschwung verkündet. Die soziale Realität ist weiter von Armut und Rekordarbeitslosigkeit von rund 27 Prozent geprägt. Die anhaltende Deflation weist auf die weiter schlechte wirtschaftliche Lage hin.

Die Finanzmärkte zeigten deutlich, was sie von Samaras’ Ankündigungen halten: An der Börse in Athen kam es zu Turbulenzen und abstürzenden Kursen. Offenbar geht man dort davon aus, dass Athen ohne neue Hilfen wieder in Schwierigkeiten geraten wird. Und noch etwas bereitet den Spekulanten Angst: der absehbare Wahlsieg der linken Oppositionspartei Syriza.

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