nd-aktuell.de / 22.10.2014 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 17

Konzerne raus aus der Kommission

Atomkraftgegner halten Vertreter der Atomunternehmen für ungeeignet, an der Endlagersuche teilzunehmen

Reimar Paul
AKW-Betreiber klagen gegen den Atomausstieg. Umweltschützer fordern, dass sie ihre Plätze in der Endlagersuchkommission räumen.

Umweltschützern reicht es: Weil die großen Energiekonzerne und AKW-Betreiber mit milliardenschweren Klagen gegen den Atomausstieg und das Standortauswahlgesetz vorgehen, hätten deren Vertreter nichts mehr in der Endlagersuchkommission zu suchen.

Das Standortauswahlgesetz für ein Lager hoch radioaktiver Abfälle trat 2013 in Kraft. Die 33-köpfige Kommission, die die eigentliche Suche vorbereiten soll, wurde im April 2014 berufen und kam im Juni erstmals zusammen. Seither hat sie viermal getagt, sich dabei aber vor allem mit sich selbst beschäftigt. Diskussionen über die Tagesordnung und ein Leitbild standen im Mittelpunkt. Die Reihen der Unions-Vertreter haben sich bereits stark gelichtet. Bei der bislang letzten Sitzung am 22. September fehlten Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, sein sachsen-anhaltischer Amtskollege Reiner Haseloff (beide CDU) und der CSU-Landtagsabgeordnete Marcel Huber.

Klagen der Atomkonzerne E.on und RWE richten sich unter anderem gegen Änderungen im Atomgesetz, die der Bundestag im vergangenen Jahr im Paket mit dem Standortauswahlgesetz beschlossen hatte. Die Unternehmen wollen damit erreichen, dass auch die noch ausstehenden 26 Castorbehälter mit hoch radioaktivem Müll aus ausländischen Wiederaufarbeitungsanlagen in Gorleben eingelagert werden. Oder dass der Staat die Kosten für die Umrüstung AKW-naher Zwischenlager trägt. Gorleben war im Gesetz als Ziel der Behälter ausgeschlossen worden, bislang gibt es aber keine Einigung, wohin die Castoren alternativ rollen sollen.

Die Klageflut der Atomkonzerne zeige, dass sie nur ihr Profitinteresse im Blick hätten, sagt Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Er frage sich deshalb, »was die beiden Vertreter der Atomkonzerne, Gerd Jäger und Bernhard Fischer, unter diesem Vorzeichen in der Endlagerkommission verloren haben«. Jäger war seit 1977 für RWE tätig und fungiert immer noch als »Berater« des Konzerns. Fischer ist altgedienter E.on Manager, derzeit mit Sonderaufgaben im Konzern betraut. Er rückte erst im Juli für den E.on-Chef und Präsidenten der Lobbyorganisation Deutsches Atomforum, Ralf Güldner, in die Kommission nach.

Unabhängig von der grundsätzlichen Skepsis vieler Bürgerinitiativen gegenüber der Kommission bleibt Ehmke zufolge festzuhalten: »Die Konzernvertreter sind keine zivilgesellschaftlichen, sondern Konzernvertreter, und wenn sie einen Funken Anstand besitzen, sollen sie ihren Platz räumen.« Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation »ausgestrahlt« sieht das genauso. E.on und RWE hätten mit ihren Klagen »quasi den Verhandlungstisch verlassen«, sagt er.

Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne), selbst Kommissionsmitglied, fordert zwar nicht den Rücktritt der Konzernvertreter aus dem Gremium. Die Klagewelle von E.on & Co. müsse aber ein Fall für die Kartellbehörden werden. »Bei den vielen Klagen handelt es sich offensichtlich um eine konzertierte Aktion, die den Staat unter Druck setzen soll«, so Wenzel. »Das Bundeskartellamt muss diesen Vorgang untersuchen.« Den Konzernen gehe es nicht um Rechtsschutz, sondern um »eine ganz gezielte politische Intervention«. Dies sei eindeutig »Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung«.