nd-aktuell.de / 23.10.2014 / Sport / Seite 19

Curler wehren sich gegen Ausbootung

Nach der Streichung aller staatlichen Finanzhilfen attackiert der Curlingverband den DOSB

Jörg Mebus, Duisburg
Nachdem Curling aus der Sportförderung genommen wurde, könnte es weitere harte Einschnitte geben. DOSB-Generaldirektor Michael Vesper verspricht nun: »Es wird keine Kettenreaktion geben.«

Der Schock über die beispiellose Ausbootung saß bei den Curlern auch am Mittwoch noch tief. Wütend und verbittert über die Streichung aller staatlicher Finanzhilfen und den faktischen Ausschluss aus der deutschen Olympiafamilie attackierte der noch immer fassungslose Deutsche Curling-Verband (DCV) die Spitzen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). »Verräter am Sport« nannte DCV-Präsident Dieter Kolb die DOSB-Funktionäre in der »Süddeutschen Zeitung«.

Einer der Gescholtenen, DOSB-Generaldirektor Michael Vesper, bemühte sich nach Kräften, den Eindruck zu zerstreuen, der deutsche Sport stünde am Anfang einer beispiellosen Auslese. »Es wird keine Kettenreaktion geben«, sagte Vesper auf einer Podiumsdiskussion des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen am Dienstagabend in Duisburg. Vesper verwies darauf, dass die Entscheidung gegen eine weitere Förderung der Curler eine direkte Folge aus den Zielvereinbarungsgesprächen mit den Wintersportverbänden nach den Olympischen Spielen von Sotschi gewesen sei.

An der grundsätzlichen Förderstrategie soll sich demnach auch künftig nichts ändern. »Wir sind nicht dafür, nur dort zu fördern, wo es Medaillen gibt«, sagte Vesper. Er verwies auf natürliche Schwächephasen, die man auch erfolgreichen Verbänden zugestehen müsse. Als Beispiel nannte Vesper Biathlon nach dem Rücktritt von Ausnahmeläuferin Magdalena Neuner: »Eine solche Sportart aufzugeben, widerspricht der deutschen Sportkultur.«

Curling war für eine derartige Einordnung den DOSB-Bossen offenbar nicht wichtig und erfolgreich genug. Der DCV verwies am Mittwoch süffisant auf die Tatsache, dass Curling während der Winterspiele von Sotschi diejenige Sportart war, die im deutschen Fernsehen am zweithäufigsten gezeigt wurde und einen durchschnittlichen Marktanteil von stolzen 20 Prozent erreichte.

Die Streichung der Förderung hinterließ nicht nur fassungslose Funktionäre, sondern auch Ungereimtheiten. Vesper hob hervor, es handele sich im aktuellen Fall um eine »gemeinsame und transparente Entscheidung« von DOSB, DCV und Bundesinnenministerium (BMI), dem größten Förderer des Spitzensports. Für einen erfolgversprechenden Weg bis hin zu den Olympischen Winterspielen 2018 im südkoreanischen Pyeongchang hätten den Curlern 150 000 Euro gefehlt, sagte er. »Wir standen vor der Frage: Wenden wir die Rasenmähermethode an, bei der alle anderen Verbände zur Curling-Finanzierung beitragen, oder vollziehen wir einen schmerzhaften Schnitt?«, sagte der ehemalige NRW-Sportminister und fügte lapidar hinzu: »An dieser Stelle war es jetzt halt mal der schmerzhafte Schnitt.«

Der Darstellung des DOSB, die Maßnahme sei einvernehmlich getroffen worden, widersprach der DCV am Mittwoch entschieden. Andernfalls entstehe der Eindruck, »der Verband habe DOSB und BMI quasi angeboten, entweder die Förderung zu erhöhen oder sie komplett einzustellen«, hieß es in einer Mitteilung. Laut DCV habe der Verband »in enger und einvernehmlicher Abstimmung mit dem DOSB« einen Umbruch eingeleitet und auf dieser Basis auch den Schweizer Erfolgstrainer Thomas Lips eingestellt. »Allein und nur aus diesem Grund« sei der finanzielle Mehrbedarf entstanden.

Sollte dieser Mehrbedarf nun durch die Mittel des BMI nicht realisierbar sein, sei aus DCV-Sicht die Zielstellung zu überdenken und den Gegebenheiten entsprechend neu auszurichten. »Dies ist aber keineswegs eine Rechtfertigung, einen Verband in seiner Gesamtheit und somit hier eine ganze Sportart komplett zu liquidieren sowie damit auch einen Neuaufbau komplett unmöglich zu machen«, hieß es weiter.

Vesper betonte derweil, dass er eine Fortsetzung der Curling-Finanzierung über 2014 hinaus noch für möglich hält. Der betreffende Zyklus von 2015 bis 2018 sei noch nicht vom Bundestag verabschiedet. »Es kann natürlich noch passieren, dass der Haushalt in einer anderer Form verabschiedet wird. Da ist noch nicht aller Tage Abend.« Diese Aussage trug nicht unbedingt dazu bei, den Eindruck zu entkräften, dass die Curler auch ein Baueropfer im Dauerstreit zwischen Sport und Politik um die deutsche Leistungssportförderung sein könnten. SID/nd