Zank um Vertretungsanspruch

EVG geht in die zweite Verhandlungsrunde mit der Deutschen Bahn / Ton zwischen Gewerkschaften verschärft sich

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Schatten der Auseinandersetzung zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Bahn traf die konkurrierende Gewerkschaft EVG den gemeinsamen Arbeitgeber zur zweiten Tarifrunde.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG fordert für ihre 100 000 Mitglieder bei der Bahn sechs Prozent mehr Lohn, mindestens aber ein Plus von 150 Euro im Monat. Neben den Gehaltsforderungen geht es bei den Gesprächen in Frankfurt am Main auch um die Weiterentwicklung der Berufsgruppen. »Die Anforderungen an die Kolleginnen und Kollegen haben sich deutlich verändert, so dass hier dringender Anpassungsbedarf besteht«, sagte EVG-Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba vor Verhandlungsbeginn. Streiks wie bei den Lokführern der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) schloss die Gewerkschafterin aus, zumindest so lange ein Ergebnis am Verhandlungstisch möglich erscheine.

Gleichzeitig verschärfte die EVG den Ton gegen die konkurrierende GDL. Beide Gewerkschaften streiten darum, wer welche Beschäftigten vertreten darf. EVG-Chef Alexander Kirchner zweifelte nun öffentlich an, dass bei der GDL tatsächlich 51 Prozent der 37 000 Beschäftigten des Zugpersonals - also Zugbegleiter, Bistromitarbeiter, Disponenten und Lokrangierführer - organisiert sind, und forderte, die Mitgliederdaten überprüfen zu lassen. »Tatsache ist, dass die GDL lediglich bei den Lokführern über eine Mehrheit verfügt. Bei allen anderen Berufsgruppen organisiert nachweislich der EVG die Mehrheit der Beschäftigten«, erklärte Kirchner. »Alle anderen Aussagen sind falsch.«

Ende Juni war ein Vertrag ausgelaufen, in dem geregelt war, wer für welche Berufsgruppe verhandeln darf. Die GDL hatte in ihrer aktuellen Auseinandersetzung zwar Zugeständnisse von der Bahn bei den Forderungen für die Lokführer erreichen können. Den für die GDL entscheidenden Anspruch, das gesamte Zugpersonal zu vertreten, konnte die Gewerkschaft trotz tagelanger Streiks nicht durchsetzen.

Die EVG wiederum, die zuletzt für rund 140 000 Angestellte wie Zugbegleiter und Lokrangierführer zuständig war, will auch für die Lokführer Tarifgespräche führen. Ein Schwerpunkt der Tarifverhandlungen werde der Umgang mit den in der EVG organisierten Lokführern sein. Diese sollten »in die Tarifsystematik der EVG« integriert werden, erklärte die Gewerkschaft. Konkret verlangt sie für die bei ihr organisierten Lokführer einen Tarifvertrag, den es zurzeit nicht gibt. Dieser soll aber inhaltsgleich mit dem sein, der für die GDL-Lokführer gilt.

Im verschärften Streit um die Frage der richtigen Vertretung schlägt die EVG vor, über einen unabhängigen Notar klären zu lassen, welche Gewerkschaft in welcher Berufsgruppe bei der Deutschen Bahn die Mehrheit vertritt. »Eine solche unabhängige Klärung der Mitgliederstärke - und damit des federführenden Verhandlungsmandats - schafft die dringend nötige Klarheit und beendet den Zahlenstreit«, erklärte Kirchner.

Zur Offenlegung ihrer Mitgliederzahlen ist die GDL derzeit nicht bereit, schließt es aber auch nicht generell aus. »Die Frage stellt sich momentan nicht«, sagte GDL-Sprecherin Gerda Seibert am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Die GDL wolle Tarifpluralität, dass heißt einen GDL-Tarifvertrag etwa für ihre Zugbegleiter auch dann, wenn die EVG in dieser Gruppe mehr Mitglieder haben sollte.

Die Situation zwischen beiden Gewerkschaften wird immer verfahrener, weder eine Lösung noch eine zukünftige Kooperation scheint in Sicht. Zwar erklärte Kirchner, seine Gewerkschaft sei zu einer »fairen Kooperation« mit der GDL bereit, da eine Spaltung weder der Belegschaft noch den Gewerkschaften nütze. Die öffentlich angeschlagenen Töne indes sprechen eine andere Sprache.

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