Permanentes Stopfen von Löchern

Schleswig-Holsteins Verbraucherzentrale bedroht

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Onlinegeschäfte, Finanzdienstleistungen, Lebensmittelskandale oder Energiesanierung - der Aufgabenkatalog in Sachen Verbraucherschutz und -beratung wird immer größer. Ein Ausbau der Verbraucherzentralen wäre also angesagt, doch in Schleswig-Holstein laufen die Signale aus der Politik auf das Gegenteil hinaus.

Bereits in den vergangenen Jahren ist das Netz der Beratungsstellen im Bundesland immer mehr ausgedünnt worden, die Wege für die Verbraucher wurden immer länger, das Angebot der Verbraucherzentrale wurde eingeschränkt. Täglich gehen derzeit in der Kieler Verbraucherzentrale 250 Anfragen ein. Anlaufstellen gibt es ferner in Lübeck, Flensburg, Heide und Norderstedt. Im vergangenen Jahr musste bereits jede dritte Beratungsanfrage zurückgewiesen werden, weil die Kapazitätsgrenze erreicht war. Im Finanzplan für das kommende Jahr fehlen der Einrichtung nun 86 000 Euro, um den verbliebenen Service aufrecht zu erhalten.

Im SPD-geführten Wirtschaftsministerium drängt man auf eine eine Neustrukturierung und fordert mehr Effizienz. Dort vertrat man bisher die Auffassung, in Ergänzung des seit Jahren eingefrorenen Landeszuschusses möge sich die Verbraucherzentrale bitte um mehr Projektförderungsgelder bemühen. Die sind jedoch stets befristet und zweckgebunden, also nicht flexibel einsetzbar. Und auch für das Personalmanagement bieten sie keine Planungssicherheit.

Fachkräfte zu bekommen, gestalte sich unter diesen Voraussetzungen als immer schwieriger, heißt es aus der Verbraucherzentrale. Außerdem bergen eigenständig eingeworbene Projektmittel natürlich die Gefahr, dass die Unabhängigkeit der Verbraucherzentrale eingeschränkt wird.

Momentan fließen aus dem Landeshaushalt jährlich 699 000 Euro an die Verbraucherzentrale. Diese Summe soll in den Haushaltsansätzen bis 2017 bestehen bleiben. Doch seit 2003 gab es bei der Förderung keinen Inflationsausgleich. Andernfalls würde der jährliche Zuschuss inzwischen bei 956 000 Euro liegen. Im Bundesvergleich liegt Schleswig-Holstein bei der Finanzierung der Verbrauchzentrale ohnehin an drittletzter Stelle. Eine jetzt bekannt gewordene Expertise gibt darüber genauen Aufschluss.

Das Kieler Wirtschaftsministerium beruft sich in dieser Situation darauf, noch in Gesprächen mit der Verbraucherzentrale zu stecken. Zudem will man angebliche Doppelstrukturen erkannt haben, die Verbraucherschützer weisen diesen Vorwurf.

Die Piratenfraktion im Kieler Landtag hält beim derzeitigen Ansatz weitere Kündigungen und Einschränkungen der Öffnungszeiten für unausweichlich. Piraten-Abgeordneter Patrick Breyer kämpft deshalb in den Haushaltsberatungen um eine Aufstockung der Mittel und bezichtigt die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband, andernfalls zum Totengräber der Verbraucherberatung zu werden.

In dem Gutachten, das vom Wirtschaftsministerium selbst in Auftrag gegeben wurde, heißt es zum Status quo der Verbraucherzentrale jedenfalls unter anderem, ein »permanentes Löcher-Stopfen und Umschichten ist gegenwärtiger Steuerungsalltag«. Weiter ist von einem Einnahme- und nicht von einem Ausgabenproblem die Rede. Als Fazit erkennen die Fachleute gar eine Existenzbedrohung der Verbraucherzentrale des Landes.

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