nd-aktuell.de / 28.10.2014 / Politik / Seite 5

Traum von einer Volksfront rechts der AfD

NRW-Innenminister lobte seine Polizei

Marcus Meier
Nach den Kölner Krawallen: CDU, LINKE und Grüne kritisieren Innenminister Ralf Jäger (SPD). Der lobt seine Polizei. Rechte und Rechtsextreme träumen derweil von einer »deutschen Volksfront«.

Es war ein brauner Gewaltakt neuer Qualität. Am Sonntag zogen Tausende rechte Hooligans, Neonazis und sonstige Rassisten beinahe ungehindert durch Kölns Innenstadt. Sie attackierten Polizisten, von denen über 40 verletzt wurden, sowie politisch Andersdenkende und Journalisten. Dabei hinterließen sie eine Spur der Verwüstung. Noch auf der Heimfahrt in polizistenfreien Zügen soll ein Teil der Rechten laut Medienberichten Zuwanderer bedroht und beleidigt haben. Eine Personengruppe immerhin blieb ungeschoren: die Salafisten, jene Anhänger einer terroraffinen Spielart des Islamismus also, gegen die sich die ultrarechten Aufmärsche vorgeblich richteten.

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) zeigte sich am Montag überrascht über die »neue Formation« gewalttätiger Hooligans und kündete markig »harte Konsequenzen« an. Er lobte aber auch das »erfolgreiche Konzept« der Polizei. Fehler, gar eigene, räumte er nicht ein.

Dabei hatte die Polizei die Gefahr offensichtlich unterschätzt. Obwohl sich via »Facebook« 7000 Rechtsextreme angekündigt hatten, rechnete sie bloß mit 2000. Und schickte 1000 Beamte. Zu wenig, wie sich zeigen sollte. Insgesamt 4500 Marschierer waren dem Aufruf der »Hooligans gegen Salafisten« dann real gefolgt.

Am Montag zeigten sich die Landesspitzen von Grünen, CDU und Linkspartei entsetzt. Eine völlig verharmlosende Gefahrenanalyse und ein falsches Einsatzkonzept bescheinigte Özlem Demirel der Polizei und ihrem obersten Dienstherren Jäger. Die Landessprecherin der LINKEN sagte: »Warnungen im Vorfeld wurden ignoriert und unzählige Bürgerinnen und Bürger insbesondere mit Migrationshintergrund der Gewalt des rechten Mobs ausgeliefert.« Ein »zurückhaltendes Einsatzkonzept« der Polizei habe »die Orgie der Gewalt und die zahlreichen Angriffe« erst ermöglicht.

Man hätte die Kundgebung »schon im Ansatz untersagen müssen«, monierte der Landeschef und Bundes-Vize der CDU, Armin Laschet. Dafür habe es Möglichkeiten gegeben. Behörden und Landesregierung hätten die Lage völlig falsch eingeschätzt. Auch die in NRW mitregierenden Grünen fragten, ob die Stadt Köln und die Polizei die Gefahren richtig beurteilt haben. Der Einsatz müsse kritisch nachbearbeitet werden. Auch ein Verbot solcher Versammlungen sollte offensiv geprüft werden.

Die Internet-Reaktionen des rechten Spektrums waren durchwachsen. Ein kleiner Teil der selbst ernannten Salafisten-Bekämpfer ärgerte sich über die Gewalt ihrer Kameraden, die der als gut empfundenen Sache geschadet habe. Andere stritten ab, dass Gewalt von den Rassisten ausgegangen sei. Viele aber bejubelten die Exzesse. Extrem rechte Parteien standen den Hooligans zur Seite.

Die Demonstration angemeldet und trotz Drucks aus seiner Partei nicht abgeblasen hatte der Mönchengladbacher Ratsherr Dominik Roeseler von der Partei »Pro NRW«. Die konkurrierende NPD rief auf ihrer »Facebook«-Seite zur Teilnahme auf. Kräftig an den Ausschreitung mitgewirkt hat offensichtlich die als schlagkräftig geltende Partei »Die Rechte«, legales Auffangbecken insbesondere für Kader des verbotenen »Nationalen Widerstands Dortmund«. Die Stiefelfaschisten rechtfertigten auf ihrer Webseite die Gewalt als eine Art Notwehr und schwärmten von einer »rechts von der AfD« angesiedelten »deutschen Volksfront«. Dann das Versprechen: Der »Widerstand« werde weiter wachsen.

Die AfD-Europa-Abgeordnete Beatrix von Storch ließ zeitweilig zumindest wenig Distanz zu den ultrarechten Schlägern erkennen: »Wenn Hooligans gegen Salafisten demonstrieren, dann muss ich jetzt also für die Salafisten sein?«, fragte sie via »Facebook« - wonach Dutzende Nutzer des Internet-Nachrichtendienstes eine Abgrenzung von Storchs von den Gewalttätern forderten. »Ich lehne beide ab«, ergänzte die Adelige schließlich nach mehreren Stunden Bedenkzeit - die Hooligans und die Salafisten.

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Eine Gefahr? Angeblich unter fünf Prozent Sicherheitsbehörden blenden die Verbrüderungen am ideologisch rechten Rand weitgehend aus[1]
»Morgenröte« und »Geil Gitler«: Wie Fußball-Hooligans zur rechten Armee werden[2]

Links:

  1. http://www.nd-aktuell.de/artikel/950530.eine-gefahr-angeblich-unter-fuenf-prozent.html
  2. http://www.nd-aktuell.de/artikel/950531.morgenroete-und-geil-gitler.html