nd-aktuell.de / 28.10.2014 / Sonntagsschuss

Überspülte Hemmschwellen am Rhein

Das Gewaltmonopol im deutschen Fußball haben nicht die Ultras - sondern Hooligans, deren Gesinnung nicht erst seit Sonntag bekannt ist

Christoph Ruf

Ob der Mensch edel, hilfreich und gut oder des Menschen Wolf sei, ist eine Frage, die anno 2014 nicht mehr abschließend geklärt werden wird. Klar ist jedoch, dass die meisten Menschen so etwas wie eine Hemmschwelle haben, die ihnen Schranken setzt. Davor, Kleinere, Frauen oder Wehrlose zu schlagen, davor auf Menschen einzutreten, die am Boden liegen, davor mit Leuchtspurmunition zu schießen, volle Bierflaschen in eine Menschenmenge zu werfen.

Die Leute, die sich am Sonntag auf der Rückseite des Kölner Bahnhofes getroffen haben und unter dem Label »Hooligans gegen Salafisten« segelten, waren in weiten Teilen anders gestrickt. Bei zu viel Testosteron wird die stärkste Schwelle überspült.

Man kann es niemandem verdenken, dass er von den Kölner Gewaltexzessen überrumpelt wurde – auch kaum ein Journalist, der sich in der Materie auskennt, hätte mit 4000 Teilnehmern und einem solch homogenen Umfeld gerechnet. Merkwürdig ist allerdings, dass die Polizei meinte, mit 1000 Kräften auskommen zu können – selbst wenn man auch ihr wie erwähnt nicht vorwerfen kann, dass sie die Teilnehmerzahl unterschätzt hat.

Doch selbst die 1000 bis 1500 Hooligans, von denen man im Vorfeld ausging, sind eben keine Kaninchenzüchter und keine Bahnangestellten, sie sind Hooligans, Fußballschläger und mithin toughe Gegner auch für perfekt ausgerüstete Polizisten. Da sind 1000 Beamte schlicht zu wenig.
Diese völlige Fehleinschätzung des von Hools ausgehenden Gefahrenpotenzials könnte auch damit zu tun hat, dass man sich in den vergangenen Jahren ausschließlich auf die Ultraszene konzentriert hat, wenn man meinte, »Problemfans« thematisieren zu müssen. Diesem Irrtum sind allerdings nicht nur die Polizisten, sondern auch Journalisten, sowie viele Vereins- und Verbandsvertreter aufgesessen. Da wurden Schubsereien zu Massenschlägereien stilisiert, und Bengalos – ob man sie nun beim Fußball braucht oder nicht – zu gefährlichen Mordwaffen, die Sondersendungen en masse nach sich zogen.

Spätestens seit Sonntag weiß nun hoffentlich jeder, wer im deutschen Fußball nach wie vor das Gewaltmonopol hat und welche Gesinnung diese Leute haben. Sollte noch irgendjemand glauben, dass die »HoGeSa« die Mitte der Gesellschaft ansprechen will, möge er sich die Bilder von Köln noch einmal anschauen und mit den Polizisten sprechen, die am Sonntag verletzt wurden.

Die deutschen Ultras sind dem Treffen ein Köln im Übrigen komplett ferngeblieben. Nicht der einzige Grund, warum man die Szene in neuem Licht sehen sollte.