Die soziale Kluft bleibt

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Ausführlich setzt sich zeit.de mit der Umsetzung und Resonanz Hamburger Stadtteilschulen auseinander und stellt fest, dass diese Schulform die »grundlegende Kontroverse« innerhalb der Gesellschaft nicht befrieden konnte. So haben die einen »ihr Gymnasium behalten dürfen«, während die anderen »ihre Schule für alle als Light-Variante« erhielten. Nicht wenige »bürgerliche Eltern« befürchteten nun eine »Inflation des Abiturs« und beflügelten so konservative Vorstellungen von getrennten Schulwegen, gerne auch in Stadtteilschulen. Derweil wollten Linke einen gemeinsamen Unterricht für alle, auch auf Gymnasien. Dabei sollten Stadtteilschulen für Hamburgs »sozialen Kitt« sorgen, habe doch »jeder zweite Jugendliche einen Migrationshintergrund« und ginge die Schere zwischen »Arm und Reich immer weiter auseinander«.

Nun aber zeige sich die soziale Drift nicht entlang der Schulformen, sondern der Stadtteile. So hinge die Leistungsstärke einer Stadtteilschule überproportional von ihrem Einzug ab. Schulen, die in gut situierten Stadtteilen lägen, würden übermäßig nachgefragt, denen in sozialen Brennpunkten liefen gute Schüler trotz personeller Ausstattung weg. Verschärft habe sich die Situation durch die Inklusion sozial und emotional schwieriger Schüler. Die letzte Studie über Kompetenzen und Einstellungen von Schülern am Ende der Klasse 13 (KESS 13) weise auf, dass Schüler sozialer Brennpunkte denen aus »besseren« Stadtteilen »ein bis zwei Jahre« hinterherhinkten, und zwar »unabhängig davon, ob sie zum Gymnasium oder zur Stadtteilschule« gingen. Laut Schulforscher Ulrich Vieluf hätten Schüler am Gymnasium in einem Problemstadtteil ein ähnliches Niveau wie Stadtteilschüler eines gut situierten Stadtteils. zeit.de befürchtet das Entstehen von »Ghettos, in denen nur noch schwache Schüler lernen«. Als Antwort würden nun verstärkt betroffene Schulen um bildungsnahe Familien werben, doch Skepsis bliebe.

Bei Usern spielte die soziale Drift kaum eine Rolle, wohl aber das bestehende Bildungsverständnis. So ulisoz, der an einer Brennpunktschule arbeitet: »Die Schule ist eine Trivialisierungseinrichtung, die Kinder für die Gesellschaft funktionsfähig machen soll, stellte der Kybernetiker und Philosoph Heinz von Foerster fest. Obwohl bekannt ist, dass Lernen immer nur ein Hirn für sich selber leisten kann, man Wissen nicht vermitteln kann, sondern nur das Lernen moderieren, das Hirn als Speicher nicht gut geeignet ist, dafür aber ein idealer Problemlöser ist, die bio-chemischen Voraussetzungen dafür nur dann präsent sind, wenn etwas mit Neugier und Freude getan wird, wird in unseren Schulen immer noch ›Wissen‹ eingetrichtert, um ›es‹ über Tests abzufragen. Der Output wird mit dem Input verglichen und dann entsprechend der Abweichung über eine Kennzahl bewertet. Der ideale Schüler ist der, bei dem Output gleich Input ist. So produziert man Kaffeemaschinen. Würde man diesen Unsinn endlich sein lassen, gäbe es das Problem Inklusion nicht.«

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