nd-aktuell.de / 01.11.2014 / Berlin / Seite 14

Gesundheitssenator wirbt für Hebammen

Info-Broschüre klärt über Hilfsmöglichkeiten auf / Freiberufliche Geburtshelferinnen stehen unter großem Druck

Josephine Schulz
Berlin erlebt einen Babyboom. Dass Hebammen rund um die Geburt viele Aufgaben übernehmen können, wissen allerdings viele angehende Mütter nicht.

Hebammen sind vor und nach der Geburt rund um die Uhr für die Mütter da - sie kümmern sich um Vorsorgeuntersuchungen, Stillhilfe, Wochenbettbetreuung - ein Knochenjob. Das Privatleben steht hinten an. Aber nicht alle werdenden Mütter nehmen die Angebote wahr. Grund ist oft fehlende Kenntnis, besonders bei Eltern mit Migrationshintergrund. Ein Flyer soll Abhilfe schaffen.

Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) stellte die Infobroschüre unter dem Titel »Guter Start ins Leben - wie Hebammen helfen« am Donnerstag in Berlin vor. Niedrigschwellig wolle man die Berlinerinnen erreichen, so der Senator. Bis jetzt zwar nur auf Deutsch, bald schon soll der Flyer aber auf neun Sprachen erscheinen.

Eine längst überfällige Maßnahme für die Hauptstadt. Denn Berlin ist nicht nur Babyboom-Metropole - 36 587 Kinder wurden hier 2013 geboren, bundesweiter Rekord, sondern auch ein bunter Mix verschiedener Nationalitäten und Sprachen. Rund ein Viertel der Mütter haben eine ausländische Staatsangehörigkeit. Susanna Rinne-Wolf, Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes, weist auch auf dessen Website hin. Die wird bereits in acht Fremdsprachen bereitgestellt. Recherchen des Verbandes hätten ergeben, dass nicht-deutschsprachige Eltern die Hebammenhilfe wesentlich seltener in Anspruch nähmen, so Rinne-Wolf. Aber nicht nur um die Mütter geht es an diesem Tag: Die Existenzängste, der finanzielle Druck insbesondere für freiberufliche Hebammen, auch das sind Themen für Czaja und Rinne-Wolf. Die horrenden Haftungsprämien sind ein Problem, besonders dramatisch für Hebammen im ländlichen Bereich und solche, die wenige Geburten im Jahr betreuen. Oftmals decken die Honorare nicht einmal die Versicherungskosten, die sich jährlich auf über 5000 Euro belaufen.

Und die Politik? Czaja verteidigt sein Pendant auf Bundesebene. CDU-Gesundheitsminister Herrmann Gröhe habe hier einiges angepackt. Hebammen, die wenige Geburten betreuen, sollen von den Krankenkassen zukünftig einen Sicherstellungszuschlag erhalten. Zudem sollen die Regressansprüche der Krankenkassen gesetzlich gedeckelt werden.

»Wenn das für freiberufliche Hebammen ein Gesetz wird, dann könnte sich der Beitrag zumindest stabilisieren«, sagt Senator Czaja. Dass theoretisch auch weitreichendere Modelle möglich wären, zeigt der Blick in andere europäische Staaten. »Wir schauen etwas neidisch auf die Niederlande«, meint Rinne-Wolf. Dort gebe es einen Stiftungsfonds, der die Haftungsansprüche übernehme.

Die Linkspartei fordert eine staatlich finanzierte Fondslösung für freiberufliche Hebammen bereits seit Jahren. Eine abgespeckte Variante schlägt eine Bundesratsinitiative mehrerer Länder vor, der sich auch Berlin angeschlossen hat: Dabei geht es um eine Haftungsobergrenze, alles, was darüber hinausgeht, soll aus einem steuerfinanzierten Fonds bezahlt werden.