nd-aktuell.de / 05.11.2014 / Politik / Seite 8

Palästinensisches Lob für Israels Präsidenten Rivlin

Im Juli neu gewähltes Staatsoberhaupt steht für Ein-Staaten-Lösung, wird von ultrarechten Parteien trotzdem angefeindet

Oliver Eberhardt, Jerusalem
Die Ausschreitungen in Ost-Jerusalem gehen weiter; die Stimmung wird immer aggressiver. Ausgerechnet ein Rechter bemüht sich derweil um Ausgleich: Israels Präsident Re'uven Rivlin.

Die Polizeipräsenz auf den Straßen Jerusalems ist auch an diesem Morgen massiv. »Wir werden mit allen Mitteln die öffentliche Ordnung wieder herstellen«, hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Morgen in einem Radiointerview angekündigt, bevor dann Mosche Feiglin, der wie Netanjahu dem Likud-Block angehört, auf demselben Sender forderte, nun sei die Zeit gekommen, Juden das Beten auf dem Tempelberg zu erlauben. Aktuell dürfen Juden die heilige Stätte zwar besuchen, aber dort keine religiösen Handlungen vornehmen, um Konfrontationen mit muslimischen Gläubigen zu verhindern. »Ich denke, dass diese heilige Stätte Angehörigen aller Religionen offen stehen muss«, sagt Re'uven Rivlin, »aber dieser Ort darf meiner Ansicht nach nur für religiöse Zwecke genutzt werden. Manche versuchen nun, ihn für politische Zwecke zu vereinnahmen, und das dürfen wir nicht zulassen.«

Es sind Worte, die auch in Palästina sehr wohl vernommen werden. Denn seit dem Sommer ist Rivlin Israels Staatspräsident. Und: Er ist ein Politiker, der nicht leicht einzuordnen ist. Er ist ein Rechter, ein vehementer Verfechter der Ein-Staaten-Lösung. Aber es sind vor allem Israels Linke und der arabische Bevölkerungsanteil die hinter ihm stehen, während Israels Ultrarechte, »den Tag verfluchen, an dem dieser Mann in dieses Amt gewählt worden ist«, wie in der vergangenen Woche ein Abgeordneter der Siedlerpartei »Jüdisches Heim« bei Facebook schrieb.

Denn ein Staat vom Jordan bis zum Mittelmeer bedeutet für ihn: »Ein Staat, der auf Toleranz und Gleichheit aufgebaut ist, in dem alle Menschen, Juden und Araber gleichberechtigte Bürger sind,« sagt Rivlin, »jeder Mensch muss das Recht besitzen, nach den Regeln der Toleranz so zu leben, wie es seinen Vorstellungen entspricht.« Eine Illusion, in weiter Ferne, möglicherweise unmöglich, wie auch Rivlin sagt.

Doch obwohl seit dem Gaza-Krieg der Graben zwischen jüdischen und arabischen Israelis, zwischen jüdischen Israelis und Palästinensern tiefer geworden ist, bemüht er sich, diesen Graben zu überbrücken: So war er im Oktober der erste hochrangige israelische Politiker, der am Jahrestag des Massakers von Kfar Kassem zur Gedenkveranstaltung kam. 1956 hatten israelische Grenzpolizisten in dem arabischen Dorf 47 Arbeiter erschossen, die von ihren Feldern kamen. Politisch aufgearbeitet wurden die Ereignisse dieses Tages in Israel nie. »Ich bin in diesem Land geboren,« sagt der 75-jährige: »Es war mir ein Herzenswunsch, dorthin zu fahren und den Menschen zu zeigen, wie ich dazu stehe.«

Gleichzeitig tritt er dafür ein, dass die jüdische Bevölkerung in Israel anerkennt, dass es zwei verschiedene Sichtweisen der israelischen Staatsgründung gibt: »Wir können den Arabern nicht vorschreiben, das Entstehen Israels als etwas Positives zu sehen, wenn solche Dinge geschehen, und wir nicht alles unternehmen, um diese Menschen in das Gemeinwesen einzubinden.«

Palästinas Präsident Mahmud Abbas bezeichnet Rivlin als einen Partner: »Ich glaube nicht, dass seine Ein-Staaten-Lösung umsetzbar ist; für die Palästinenser müssen alle Siedlungen geräumt werden. Würden Israelis einen arabischen Premierminister akzeptieren? Wahrscheinlich nicht. Aber ich glaube auch, dass wir auf der Grundlage von Toleranz einen echten Frieden erreichen können.«