nd-aktuell.de / 05.11.2014 / Politik / Seite 12

Flüchtlinge als Freiwild?

Rechtes Konzert neben Skandal-Unterkunft für Flüchtlinge soll nicht stattfinden

Marcus Meier
Ausgerechnet auf dem Gelände der ehemaligen Siegerland-Kaserne in Burbach soll im September 2015 ein dreitägiges Festival mit als äußerst rechts geltenden Bands stattfinden.

Ist die Gefahr vom Tisch? Der Vertrag mit den Veranstaltern wurde am Dienstag nach kritischen Medienberichten gekündigt. Das Festival soll doch nicht in der Siegerland-Kaserne stattfinden, wo auch 700 Flüchtlinge untergebracht sind. »Feuer & Eis-Festival« heißt das Event, das von der WIEVENT Veranstaltungsservice UG organisiert wird, im September 2015 sollte es erstmals nicht in einer Halle, sondern als dreitägiges Open Air stattfinden.

Als Headliner gebucht wurde die umstrittene Vier-Mann-Combo »Frei.Wild«, deren Sänger Philipp Burger einst bei der Rechts-Rock-Band »Kaiserjäger« startete.

In Burbach war man nicht begeistert ob des Gedanken, war die zentrale Flüchtlingsunterkunft doch gerade aus den Schlagzeilen gekommen. Wärter hatten dort Flüchtlinge misshandelt und gedemütigt, die Republik war tagelang geschockt. Und ausgerechnet dort sollten die »Deutschrock«-Bands lärmen?

»Deutschrock«, darunter verstand man früher einmal meist eher linksliberale, vor sogenannter »Betroffenheit« oft triefende Texte zu mehr oder minder gelungener, allenfalls mittelharter Rockmusik. Hörte man »Deutschrock«, so dachte man an BAP, Grönemyer oder Udo Lindenberg. Heute gibt es eine zumindest konkurrierende Definition des Begriffs »Deutschrock«: Es ist die Musik von Bands wie »Frei.Wild«, die deutlich ungestümer, härter, gitarrenlastiger, textlich schlichter und bei Verzicht auf jegliche Poesie zur Sache gehen - und die ist alles andere als links. Kommerziell lohnt sich diese Mischung: Über knapp eine halbe Million Fans verfügt »Frei.Wild« auf Facebook, füllt große Hallen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, legte zuletzt zwei CDs vor, die jeweils die Spitze der deutschen Album-Charts erklommen.

»Frei.wild« kann seine Wurzeln im Rechtsrock weder musikalisch noch personell leugnen. Mit steigendem kommerziellen Erfolg distanziert sich das Quartett recht unzweideutig zumindest von faschistischen Fans und Ideologien. Man sei gegen jede Form von Extremismus, heißt es längst. Unlängst lud »Frei.Wild« sogar Migranten dunkler Hautfarbe zu einem Open Air-Festival. Die verstanden sich gut mit den Fans der Band. Doch blieben Restzweifel an »Frei.Wild«: »Ich finde, sie sollten die Texte so gestalten, dass man kein rechtes Gedankengut hinein interpretieren kann«, sagte einer der Eingeladenen. Damit brachte der junge Mann die Kritik auf den Punkt: Nein, »Frei.wild« ruft nicht offen zu Gewalt und Rassenhass auf. Doch viele Textstellen triefen vor völlig unreflektiertem Patriotismus und einem plumpen Sozialdarwinismus.

Ultrarechte lesen gleichsam zwischen den Zeilen. Die Texte erzeugen zudem ein »Wir«-Gefühl sich ausgestoßen Fühlender gegen eine Gesellschaft, die alles Patriotische ächte, die aber als im Kern korrupt und verlogen wahrgenommen wird. »Land der Vollidioten« ist der gleichsam programmatische Titel eines erfolgreichen »Frei.Wild«-Songs. Mit »Vollidioten« sind natürlich nicht die Band und ihre Fans gemeint, sondern so ziemlich alle anderen.

Der Veranstalter Sascha Wiesner erklärte: »Wir als Veranstalter hatten den gutgläubigen Gedanken den Medien mit der Durchführung eines solchen Festivals zu zeigen, dass es sehr wohl möglich ist, friedliche Deutschrockfans aller Altersklassen neben einem nahe gelegenen Flüchtlingsheim feiern zu lassen und wollten damit ein deutliches Zeichen gegen die Rassismusvorwürfe setzen.« Doch bekomme man dafür keine Chance.