Aufgehobenes Bildungsprivileg

Jürgen Amendt über unpolitische Studenten

  • Lesedauer: 2 Min.

Es gab eine Zeit, da galten Studenten als politisch besonders bewusste und engagierte Menschen. Das kam nicht von ungefähr, schließlich wurde an den Universitäten die künftige Elite eines Landes herangebildet. Wer einen Uni-Abschluss in der Tasche hatte, wechselte in die Schaltzentralen von Politik, Wirtschaft und Medien. Akademiker war kein Beruf, sondern eine Insignie für gesellschaftlichen Einfluss. Interesse für Politik war eine wesentliche Voraussetzung für diese Auszeichnung. Von Lehrlingen in der Berufsausbildung, künftigen Handwerkern und Facharbeitern wurde derlei Interesse an politischen Themen nicht vorausgesetzt und damit nicht erwartet.

Wahrscheinlich ging die Ära der politisch interessierten Studentengeneration in Deutschland mit der 68er-Revolte endgültig zu Ende. Die Rebellion der unangepassten Studenten war der letzte Akt der Widerständigkeit der sich noch als Elite verstehenden Bürgerkinder. Die wollten u.a. das Bildungsprivileg ihrer eigenen Klasse brechen, die Universitäten anderen sozialen Schichten öffnen, die Wissenschaft allen zugänglich machen.

Das bürgerliche Bildungsprivileg wurde aufgehoben, allerdings auf eine Art und Weise, wie sie nicht beabsichtigt war. Der Ausbau der Hochschulen zu Stätten der akademischen Berufsausbildung hat die Studenten den Lehrlingen, Handwerkern und Facharbeitern gleich gemacht. Dass die meisten sich dementsprechend verhalten und die Universität in erster Linie als Ausbildungsstätte denn als Ort geistiger Auseinandersetzung sehen, ist also nicht verwunderlich. Doch sollte man sich auch nicht wundern, wenn es nach wie vor Studenten gibt, die sich politisch engagieren. Ihre Zahl dürfte wahrscheinlich nicht einmal geringer als früher sein - sie fallen nur immer weniger auf.

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