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Schmelz, Schmutz

Campino: Berlins neuer Mackie Messer

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.
Es ist eine Traumrolle. Aber es ist auch eine abgearbeitete Rolle. An ihr hängt Glanz, an ihr wirkt Geschichte wie Patina, und für viele ist es das Einzige, was sie mit der »Dreigroschenoper« zu verbinden wissen. Da ist ein Hai, ein Messer und wer im Dunkeln, den man nicht sieht. Mackie Messer ging über die Bühnen der Welt, und seine Moritat war rauchiger Hauch in allen Bars. Ab morgigem Freitag nun gibt es nur wenige Meter entfernt vom Theater am Schiffbauerdamm, dort, wo Brechts/Weills Stück seine Uraufführung erlebte, einen neuen Macheath: Im Admiralspalast, in Berlins Friedrichstraße, wird Campino, bis 24. 9., Mackie Messer sein, in der Inszenierung von Klaus Maria Brandauer. Sommers, wenn allenthalben Festivalzeit ist, füllen sich die Bühnen mit ungewöhnlichen Protagonisten. Der Reiz des Populären und Extravaganten. Den Sänger der »Toten Hosen« mit der Hauptrolle in der »Dreigroschenoper« zu betrauen, war ein Griff Brandauers ins Spezialfach des Attraktiven: Campino bringt das Zwiespältige mit, das den Glanz des Verführers niemals trennt vom Ungebärdigen des Straßenjungen; Glorie und Schmutz; Schmelz der Poesie und räudiger Jargon in lustvoller Verquickung. Ein Punk im Prunk. Einer von den »Toten Hosen« in der Nähe von Nadelstreifen. Ein Freak spielt für Fracks. Der 44-Jährige hat sich mit der Familie, mit der Band beraten, ehe er sich dem Projekt verkaufte. So ging Faust auf den Teufel zu: Den Pakt gewinne ich! Genug Herzblut hat er investiert. Der brachiale Musiker, der gern Missetäter ist im Gefilde der kulturellen Korrektheiten, er probt nun Brecht und Kompromisse mit dem Kulturbetrieb. Aber was zählt, ist das Risiko. Und ungefährlicher als ein Tournee-Leben mit Knochenbrüche, Stimmband-Anrissen und Hechtsprüngen ins Publikum wirds auch. 1982 wurden die »Toten Hosen« gegründet, die Rhein-Punks verkauften Millionen Platten und CDs. Vor sechs Jahren wählten Leser einer Illustrierten Campino zum erotischsten Mann nach Boris Becker. Zweiter Platz? Das kann man mit Campino machen, nicht mit Mackie Messer ...
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