Brüssels Auge ruht auf Bratislava

EU will neue Links-Rechts-Regierung in der Slowakei besonders beobachten

  • Hannes Hofbauer, Bratislava
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

In Bratislava weht ein neuer politischer Wind. Erstmals seit Jahren tritt in Osteuropa eine sozialdemokratische Partei, Robert Ficos SMER (»Richtung«), mit sozialpolitischem Programm auf. Einer starken Rhetorik sollen in den kommenden Jahren pragmatische Schritte gegen die Auswüchse eines modellhaften Wirtschaftsliberalismus folgen.

Die parlamentarische Mehrheit holt sich der SMER-Führer mit Hilfe der nationalen Demokraten der HZDS (Bewegung für eine Demokratische Slowakei) und der rechtsnationalen SNS (Slowakische Nationalpartei). »Natürlich wegen der Wirtschafts- und Sozialreformen«, antwortet der internationale Sekretär der slowakischen Ungarnpartei auf die Frage, warum die alte rechtsliberale Regierungskoalition die Wahlen verloren hat. Die Ungarische Parteienkoalition (SMK) war acht Jahre lang mit drei Ministern in der bisherigen Regierung vertreten. Für die sozialen Verwerfungen im Lande will sie die Verantwortung nicht übernehmen. Zoltan Bara sieht im Gegenteil in Robert Ficos neuer Dreiparteienkoalition eine Gefahr: »Sie verwenden eine populistische und antireformerische Sprache. Die Koalition aus SMER, HZDS und SNS ist die schlechteste Variante für das Land.« Ganz anders sieht das die Aktivistin der EU-kritischen Plattform »Nascha Europa«, Magdalena Sulanova: »Von den sechs im neuen Parlament vertretenen Parteien ist diese Koalition die beste aller Lösungen. Es wird sich zwar weniger ändern als versprochen, aber mehr als nichts.« Auch Stefan Murin von den slowakischen Kommunisten (KSS), die den Einzug ins Parlament verfehlt haben, trauert der alten Koalition nicht nach: »Dzurinda (Regierungschef) und Miklos (Finanzminister) waren die führenden Repräsentanten eines extremen, angelsächsischen Verständnisses von Sozialreform. Nach ihrer Niederlage versuchen sie mit Brüsseler Hilfe, die Slowakei zu isolieren.« Die großen Fraktionen im EU-Parlament sind gerade dabei, ein so genanntes »Monitoring« über die Slowakei zu verhängen, Robert Ficos Koalitionsregierung soll überwacht werden. Formal gründet die Brüsseler Besorgnis in der Regierungsbeteiligung der SNS. Die nationalistischen, ungarnfeindlichen Auslassungen ihres Parteichefs Jan Slota vergiften das Klima zwischen Bratislava und Budapest. Der ungarisch-slowakische Konflikt wurzelt indes tief in der Geschichte. Gegründet wurde die SNS bereits im Jahr 1871. Damals stand die Ungarnfeindlichkeit noch in anderem politischen Kontext, wurde doch die Slowakei - als historisches »Nordungarn« - von Budapest aus verwaltet. Seit dem österreichisch-ungarischen Ausgleich im Jahre 1867 litten alle Slawen in der ungarischen Reichshälfte unter starkem Magyarisierungsdruck. Die erste tschechoslowakische Republik konnte dann als nationale Befreiung gefeiert werden, bis das Münchner Abkommen zwischen Hitler-Deutschland und den Westmächten im September 1938 den Staat de facto von der politischen Landkarte strich. Die Slowakei von Hitlers Gnaden verlor unter der Regierung des SNS-Führers Jozef Tiso im »Wiener Schiedsspruch« im November 1938 die ungarischen Siedlungsgebiete im Süden an Horthy-Ungarn. Nicht zuletzt wegen dieser nationalen Schmach wollen die heutige SNS und ihr Führer Jan Slota nicht allzu häufig an die Tiso-Epoche erinnert werden. Slotas Wortradikalismus wird von vielen in Bratislava als »politische Folklore« gesehen. Sein Verzicht auf ein Ministeramt gibt bereits einen Hinweis auf die geringe Stärke der SNS in der Regierung Fico. Weder die Nationalisten noch die HZDS konnten ihre Parteiführer in Ministerämter hieven. »Slota ist seit 16 Jahren Bürgermeister in Zilina«, spielt sein Parteifreund, der Abgeordneter Rafael Rifai die Schwäche der SNS herunter, »er hat genug Platz in der Region.« Der Ökonom Augustin Huska, ehemals Berater des früheren HZDS-Ministerpräsidenten Vladimir Meciar, sieht in der Tatsache, dass weder HZDS noch SNS in der Koalition entscheidende Ministerämter einnehmen können, die objektive Schwäche der kleinen Regierungspartner. Sie könnte sogar zur Spaltung der HZDS führen: »Die Erosion der Moral ist in der ganzen Gesellschaft vorhanden, auch in der HZDS«, spielt Huska auf ähnliche Vorgänge in Ungarn und in Österreich an. In Ungarn war es die Partei der Kleinlandwirte, die durch eine marginale Regierungsbeteiligung zuerst gespalten wurde und später aus dem Parlament verschwand; in Österreich bekam der FPÖ die Juniorrolle im Kabinett Schüssel nicht gut, auch sie hat sich gespalten. Fürs Erste scheint es, dass Robert Fico seine Koalitionspartner fest im Griff hat. Brüssel wird dennoch weiterhin eine besorgte Miene aufsetzen, schließlich ist es neben der Regierungsbeteiligung von SNS und HZDS - unausgesprochen - der sozial- und wirtschaftspolitische Linksruck, ...

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