Die One-Man-Show des Jens Voigt
Gesamtsieg bei der Deutschland-Tour mit drei Etappensiegen für den Profi-Fahrer aus Berlin
Jens Voigt musste nicht lange überlegen, wie hoch er den Triumph bei der Deutschland-Tour einstufen sollte: »Ein bisschen Patriot ist man doch immer. Das Gelbe Trikot bei der Tour de France zu tragen, ist großartig. Aber eine Deutschland-Tour zu gewinnen, ist auch nicht von schlechten Eltern. Ich bin stolz, als Deutscher hier vorne zu sein«, resümierte der 34-Jährige vor der 8. und letzten Etappe, die gestern von Bad Krozingen nach Karlsruhe über 172,1 km führte und die im Massensprint Graeme Brown (Australien) vor Erik Zabel (Unna) gewann.
Jens Voigt, der Profi vom dänischen CSC-Team, hatte den zweiten Teil der 1358,4 km zwischen Düsseldorf nach Karlsruhe in eine echte One-Man-Show verwandelt und dabei auch dem deutschen Radsport nach wochenlangen Dopingdiskussionen wieder positive Schlagzeilen beschert. Ob im flachen Terrain, im Hochgebirge oder im Zeitfahren - bei allen drei Etappensiegen fuhr der gebürtige Mecklenburger in einer eigenen Liga.
Sein Erfolg im Kampf gegen die Uhr am Dienstag in Bad Säckingen war noch einmal eine Demonstration der Stärke gewesen. Um über eine Minute distanzierte er auf den 38,2 km die stärkste Konkurrenz. »Der Druck hat mich mehr beflügelt als gehindert. Bei mir läuft viel über die Motivation«, beschrieb der Berliner sein Erfolgsrezept.
»So stark habe ich ihn noch nie gesehen«, lobte Vorjahrssieger Levi Leipheimer vom Team Gerolsteiner den Rivalen, der in seiner langen Karriere nun 50 Siege auf dem Konto hat. Dass seine Leistungsexplosion angesichts der jüngsten Dopingskandale Fragen aufwerfen könne, damit habe er kein Problem, meinte Voigt.
»Man muss in der heutigen Zeit damit leben, dass jeder, der gut fährt, unter Verdacht gerät. Ich weiß aber, was ich mache und habe ein reines Gewissen«, meinte der Mann, der in den letzten Wochen im Kampf gegen Doping als Fahrervertreter immer wieder klar Stellung bezogen hat.
Für die Organisatoren war Voigt ein Glücksfall. »Jens ist ein Zugpferd und ein absolut verlässlicher Fahrer, der immer seine Leistung bringt«, sagte Tour-Chef Kai Rapp, dessen Erleichterung spürbar war. Eine Einstellung oder Herabstufung der 1999 wieder ins Leben gerufenen Rundfahrt ist kein Thema mehr. Auch 2007 wird das Peloton vom 8. bis 16. August und damit wieder gut eine Woche nach Ende der Tour de France (29. Juli) durch Deutschland rollen.
Die ARD registrierte 2006 auch ohne Jan Ullrich gute TV-Quoten. Am Straßenrand wurden sogar Zuschauerrekorde vermeldet. So ist das 3,5-Millionen-Euro-Budget auch im nächsten Jahr durch Sponsoren abgedeckt. »Die Fans haben uns gerettet«, bilanzierte Tour-Chef Rapp.
Rudolf Scharping sieht als Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) noch Steigerungspotenzial. Eine zweiwöchige Rundfahrt hält der frühere Verteidigungsminister für realistisch. Ähnliche Ziele verfolgt auch Rapp: »Wir wollen die Nummer zwei hinter der Tour de France werden.«
Zu den Verlierern der diesjährigen Rundfahrt gehörte T-Mobile. »Natürlich sind wir mit dem Abschneiden nicht zufrieden. Das haben wir uns anders vorgestellt«, sagte der scheidende Teamchef Olaf Ludwig, dessen Hoffnungsträger Patrik Sinkewitz und Linus Gerdemann enttäuschten. Angesichts der Führungskrise sei es aber verständlich, dass »durch die Unruhe in der Mannschaft die Fahrer nicht ihre volle Leistung abrufen konnten«, so Ludwig.
Immerhin haben die Bonner das Rennen gegen Gerolsteiner um die deutsche Sprinthoffnung Gerald Ciolek gewonnen. Der Kölner zeigte einmal mehr sein Potenzial, als er die dritte Etappe in Schweinfurt vor Erik Zabel gewann. Der Altmeister vom Team Milram errang da...
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