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Nur Vertretung

Paris: Der »Fall« Harry Roselmack

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.
Dass ein 33-jähriger Franzose für Furore sorgt, weil er seit kurzem die meistgesehenen Nachrichten im größten Sender Frankreichs moderiert - es wirft ein kaltes Licht auf westeuropäische Zustände im 21. Jahrhundert. Denn das Aufsehen erregt Harry Roselmack nicht, weil er »le journal« (20 Uhr auf TV1) souverän, charmant präsentiert, sondern weil er ein Schwarzer ist. Repräsentationsniveau für einen Fremdling in der Schule der Geläufigkeit. Schon folgen ersten Staunensrufen auf der einen die Beruhigungsseufzer auf der anderen Seite: Roselmack, Sohn eines Polizisten und einer Postangestellten, sei zum Glück nur Urlaubsvertretung. Der aus Martinique Stammende wird als Politikum gesehen. Kein Wunder nach den Unruhen in den Pariser Vorstädten und angesichts der Tatsache, dass jeder Fünfte nichtfranzösische Vorfahren hat. Staatspräsident Chirac hatte die Chefs der französischen TV-Sender vor einigen Wochen zu sich gerufen und sie aufgefordert, diese ethnnische Vielfalt der Bevölkerung besser zu repräsentieren. Seit wenigen Monaten gibt es auch einen »Dachverband der schwarzen Vereine« (Cran), der Diskriminierungen bekämpft. Gegner dieses verstärkt antirassistischen Engagements verweisen auf die Fußball-Nationalmannschaft Frankreichs, die doch fast ausnahmslos farbig besetzt sei. Wissenschaftler entgegnen, dies sei kein Beweis für Normalität: Die Berühmtheit der Spieler verdränge nur die Stereotypen - und bestätige sogar ein Vorurteil, dem auch mit Roselmack entgegengetreten werde: Schwarze seien vor allem physisch begabt. Rosenmack ist nicht der erste farbige TV-Nachrichtenmoderator in Frankreich. Aber der am prominentesten Plazierte. Selbst einer ebenfalls aus Martinique stammenden Journalistin, die Nachrichten des Staatssenders France 3 verliest, hat man noch vor Jahren gesagt, leider sei das Publikum noch nicht so weit, Farbige in dieser Funktion zu akzeptieren. Von Integration könne man erst dann sprechen, so Frankreichs zuständiger Minister Azouz Begag, wenn eine »Banalisierung des Vorgangs Roselmack« stattfände. Und auch der Moderator selbst hofft, dass das Publikum bald »nicht mehr den Schwarzen, sondern den Journalisten sieht«. Bis dahin bekennt er sich zur »positiven Diskrimierung«. Was er darunter versteht? »Ich finde es nicht abnormal, dass die Medien versuchen, der Gesellschaft zu ähneln, die die beschreiben.«
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