nd-aktuell.de / 11.11.2014 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

TTIP kommt vors EuGH

Freihandelsaktivisten reichen Klage am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ein

Raymond Klein, Luxemburg
Die EU-Kommission hatte im September die Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP abgewiesen. Die Initiatoren wehren sich nun auch juristisch.

»TTIP op den Tipp!«, skandiert ein Sprechchor am Eingang des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg. In der Landessprache heißt das so viel wie: »TTIP auf den Müll«. Über 50 überwiegend einheimische Gegner des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA hatten sich am Montagvormittag hier versammelt, um eine Klage beim EuGH einzureichen.

Denn im September hatte sich die EU-Kommission geweigert, die Europäische Bürgerinitiative (EBI) gegen TTIP zuzulassen. Eine solche Bürgerinitiative hätte, falls sie binnen zwölf Monaten eine Million Unterschriften sammeln kann, die Kommission gezwungen, sich mit dem Thema zu befassen. Den Initiatoren der EBI ging es darum, den Abschluss der Freihandelsabkommen TTIP (mit den USA) und CETA (mit Kanada) in ihrer jetzigen Form zu verhindern. Begründet hatte die Kommission ihre Ablehnung damit, dass es sich bei dem Verhandlungsmandat für TTIP nicht um einen Rechtsakt handle. Außerdem könne eine EBI nur konstruktiven Charakter haben, dürfe also nicht nur darauf ausgerichtet sein, einen Beschluss der Kommission zu verhindern.

»Das lassen wir uns nicht gefallen«, kündigte Blanche Weber von der Luxemburger Umweltorganisation »Mouvement écologique« an. »Es kann nicht sein, dass ein paar Beamte und Lobbyisten über die Zukunft Europas entschieden und mehr Gewicht haben als wir Bürgerinnen und Bürger.« Michael Efler, Vertreter des Bürgerausschusses der EBI, ist sich indes sicher, dass es sich beim TTIP-Verhandlungsmandat durchaus um einen Rechtsakt handelt, wenn auch nur mit vorbereitendem Charakter. Die EU-Kommission wolle die Bürger bei den TTIP-Gesprächen aussperren. »Solange noch verhandelt wird, darf sich die Bevölkerung nicht einmischen - und wenn die Verträge erst auf dem Tisch liegen, ist es zu spät«, so Efler weiter. Dass die Kommission nur positive EBIs akzeptieren wolle, klinge wie ein Scherz. Efler unterstrich, der Zweck von Bürgerinitiativen sei es nicht, die Entscheidungen Brüssels zu bejubeln. »Zur direkten Demokratie gehört auch, Dinge zu hinterfragen, Korrekturen zu fordern und auch schon mal Nein zu sagen.« In diesem Sinne sieht er diese Klage auch als Wegbereiterin für andere, kritisch ausgerichtet Europäische Bürgerinitiativen.

Gegenüber »nd« erklärte Efler, derzeit plane der Bürgerausschuss nicht, den ursprünglichen Text der Stop-TTIP-Initiatve abzuändern, sondern versuche, eine gerichtliche Annullierung der schlecht begründeten Kommissionsentscheidung zu erreichen. »Die Chancen stehen nicht schlecht«, versicherte er und verwies auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags. Auch gebe es den Präzedenzfall einer EBI zur Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der Schweiz, welche die Kommission akzeptiert habe. Die Initiative und die juristische Auseinandersetzung sind laut Efler wichtig, weil sie dem Widerstand gegen CETA und TTIP über die vielen lokalen und nationalen Initiativen hinaus einen europäischen Charakter verleihen.

Während das Verfahren vor dem EuGH läuft, wollen die TTIP-Gegner nicht untätig bleiben. Vor sechs Wochen wurde eine »Selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative« lanciert, die bereits jetzt über 865 000 Unterschriften gesammelt hat. Ein deutliches Signal, dass sich die europäischen Institutionen an einer Diskussion über TTIP nicht vorbeimogeln können.

Trotz der Bedenken vieler europäischer Bürger will die EU-Kommission unverändert an den TTIP-Verhandlungen festhalten. »Dieses Abkommen würde Europa Wachstum und Arbeitsplätze bringen, nicht zuletzt den kleinen und mittleren Unternehmen«, erklärte die neue EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am Montag nach einem Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin. Dieser betonte in Sachen TTIP und CETA, dass beide Politiker »einen erfolgreichen Abschluss dieser Abkommen« wollten.