Grünes Licht für Online-Arznei

Gericht: DocMorris darf Apothekenfiliale weiter betreiben

  • Christin Odoj
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Das Landgericht Saarbrücken entschied gestern über einen Präzedenzfall im deutschen Apotheken- und Arzneimittelrecht. Der niederländische Versandhändler DocMorris erhielt demnach die Betriebserlaubnis für seine erste ortsfeste Filiale in Deutschland. Die Bundesvereinigung Deutscher Apotheker (ABDA) sprach von einer »skandalösen« Entscheidung.

Der Markt für Medikamente ist ein hart umkämpftes Geschäft. Im April ist die Preisbindung für nichtverschreibungspflichtige Mittel gefallen und bereits seit Januar 2004 ist der Versandhandel via Internet erlaubt - auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel. N un eröffnete DocMorris, die größte Versandapotheke Europas, im Juli 2006 ihre erste Niederlassung in Saarbrücken. Die Apothekerverbände fürchten jetzt, mit dem gestrigen Urteil könnten reguläre deutsche Apotheken verdrängt werden. Ganz unbegründet scheinen die Ängste nicht, denn DocMorris verbuchte im letzten Jahr einen Umsatz von 152 Millionen Euro und versorgt bereits 700 000 Kunden. Vorstandschef und Gründer des Unternehmens, Ralf Däinghaus, prognostiziert einen Zuwachs des Marktanteils von Versandapotheken von derzeit 1,5 auf 13 bis 15 Prozent in der Zukunft. Die Versandhändler vertreiben ihre Medikamente per Telefon, Fax und Internet und hatten bisher keine Vor-Ort-Apotheke in Deutschland. Die Firma wurde 2000 gegründet und beschäftigt 330 Mitarbeiter. Vorangegangen war der Diskussion der Eilantrag einer Apothekerin aus Saarbrücken, die die sofortige Schließung der Filiale der niederländischen Firma forderte. Mit der Eröffnung verstoße DocMorris gegen das deutsche Fremdbesitzverbot. Danach dürfen Kapitalgesellschaften keine Apotheken betreiben. Im Gegensatz dazu existiert im europäischen Recht jedoch die Niederlassungsfreiheit für Unternehmen, auf die sich DocMorris berufen kann. Das Landgericht Saarbrücken entschied am Mittwoch nun auf Anwendungsvorrang für Europarecht vor deutschen Gesetzen. Vor dem Landgericht Saarbrücken ist bereits eine Klage gegen die DocMorris-Filiale anhängig, eingereicht von der Apothekerkammer des Saarlandes, dem Apothekerverband sowie drei Apothekern. Mit einer Entscheidung ist in einigen Wochen zu rechnen. Sollte die Klage scheitern, womit man nach der gestrigen Gerichtsentscheidung rechnen kann, befürchten die Apotheker einen Zustrom weiterer Konkurrenz aus dem Ausland. »Das nationale Apothekengesetz schottet ausländische Unternehmen rigoros ab«, verteidigte Gesundheits- und Justizminister Josef Hecken die Entscheidung des Gerichts. Dies sei der kontinuierlichen Lobbyarbeit der Apotheker zu verdanken, die aber die Dimensionen des Europarechts bisher erfolgreich verdrängten, erklärte er gestern zusätzllich auf einer Pressekonferenz. Die ABDA sieht nach dem positiven Entscheid des Landgerichts das Prinzip ihres Berufsstandes bedroht: »Wollen wir den Apotheker als Heilberufler oder als Arzneikaufmann?«, fragt ABDA- Präsident Heinz-Günther Wolf. Der Versandhandel will mit der Eröffnung seiner Niederlassung in Saarbrücken das vielfach kritisierte Manko, der Online-Vertrieb könne bei einer derart beratungsintensiven Branche keine ausreichende Kundenbetreuung gewährleisten, beseitigen. Außerdem legt DocMorris, nach eigenen Angaben besonderen Wert auf eine qualifizierte Ausbildung seiner Mitarbeiter. Der CDU-Gesundheitspolitiker sieht den Klagen gelassen entgegen. Auch Apotheker müssten sich von lieb gewordenen Besitzständen trennen. Unterstützung erhielt Hecken von den Grünen und dem Bremer Professor für Gesundheitspolitik Gerd Glaeske. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte, die Privilegien von Apothekern müssten zum Bestandteil einer Generalrevision gemacht werden. ...

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