nd-aktuell.de / 10.08.2006 / Politik

Die globale Elite meidet Deutschland

Das Zuwanderungsgesetz schreckt auch die gewünschten hochqualifizierten Migranten ab

Martin Kröger
Der Effekt, den Zuzug hochqualifizierter Migranten zu fördern, der mit der Einführung des Zuwanderungsgesetzes erreicht werden sollte, blieb aus. Die Große Koalition plant deshalb weitere Erleichterungen für die gewünschten Spitzenkräfte aus Wissenschaft und Wirtschaft.
Nur rund 900 Mitglieder der »Besten Köpfe der Welt« entschlossen sich im letzten Jahr dazu, dauerhaft in Deutschland ihren Wohnsitz zu nehmen. Unter »Hochqualifizierten« versteht das Bundesinnenministerium Spitzenkräfte aus Wissenschaft und Wirtschaft, die mindestens 85 000 Euro im Jahr verdienen. Für Selbstständige gilt die Vorgabe, entweder mindestens eine Million Euro zu investieren oder dauerhaft 10 Arbeitsplätze zu schaffen. Gerade diesen Personengruppen sollte mit der Einführung des Zuwanderungsgesetzes der Zuzug ermöglicht werden. »Wir wollen für Spitzenkräfte den Zugang nach Deutschland erleichtern«, kündigte nun der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, zu Beginn der Woche gegenüber der ARD an. Die geplanten Erleichterungen, so Wiefelspütz, sollen bereits zum 1. Januar 2007 in Kraft treten. Einzelheiten würden derzeit in einer Arbeitsgruppe besprochen. Konkrete Pläne seien für September zu erwarten. Zuvor war auch aus Kreisen der Union Kritik am derzeitigen Zuwanderungsgesetz geäußert worden. Unisono hatten die Innenminister von Bayern und Brandenburg, Günther Beckstein und Jörg Schönbohm, Verbesserungen gefordert. Sowohl Schönbohm als auch Beckstein ließen jedoch im gleichen Atemzug verlauten, wo die Grenzen für die geplanten Freizügigkeiten liegen. »Es darf nicht sein, dass Arbeitnehmer aus China oder Indien kommen, aber deutsche Uni-Absolventen keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben«, schränkte Beckstein ein. Zudem gelte es, den Zuzug auf Personen unter 35 Jahre zu beschränken. Auch Schönbohm verwies auf angeblich nicht genutzte inländische Potenziale: Nicht vergessen werden dürfe, »dass wir zu viel gut qualifizierte Deutsche haben, die auswandern, weil sie sagen, wir gehen lieber woanders hin.« Beide erteilten einem Zuwanderungsmodell nach australischem oder kanadischem Vorbild, indem nach einem Punktesystem Einwanderung gestaltet wird, eine Absage. Ein solches Punktesystem würde der sozialdemokratische Koalitionspartner dagegen zwar begrüßen, Chancen für die Einführung sieht der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Wiefelspütz jedoch mit Blick auf die Vorstellungen des Koalitionspartners nicht. Außerdem betonte auch Wiefelspütz, dass es nicht um den gut ausgebildeten Handwerksmeister oder Ingenieure gehe. »Wenn es in diesem Bereich Fachkräftemangel gibt, müssen wir diesen Bedarf in Deutschland decken.« Grundsätzlich seien die Regelungen des Ausländerrechts aber »zu ängstlich, zu sehr auf Abwehr ausgerichtet, zu bürokratisch«. So seien zum Beispiel die Verdienstgrenzen »unrealistisch hoch angesetzt«. Nach übereinstimmenden Berichten denkt die Koalition über eine Absenkung des Mindesteinkommens auf 64 000 Euro nach. Den Unternehmensvertretern geht die Novellierung des Zuwanderungsgesetzes indessen nicht weit genug. »Da muss man klotzen und nicht kleckern«, gab sich der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, gegenüber dem »Handelsblatt« enttäuscht. Stattdessen müssten ähnliche Gehälter als Vorgabe gelten, wie sie für Akademiker aus dem Inland normal seien. Diese lägen eher bei 35 000 Euro. Während hierzulande über Gehaltshöhen debattiert wird, legte die australische Immigrationsministerin, Amanda Vanstone, die neuesten Zahlen für Australien vor: Über 140 000 Migranten sind im letzten Jahr nach Australien gekommen. »Das Migrationsprogramm konzentriert sich auf Fähigkeiten, die die Industrie und die Gesellschaft brauchen«, erklärte Vanstone.