Anlegerschutz statt Crowdfunding?

Neues Gesetz der Bundesregierung könnte alternative Finanzierungsformen gefährden

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Crowdfunding oder »Schwarmfinanzierung« ist das Zauberwort für viele Start-ups und Hausprojekte auf Geldsuche. Doch strengerer Verbraucherschutz könnte diese Quelle bald austrocknen.

Die Insolvenz des Windkraftfinanzierers Prokon bescherte zehntausenden Kleinanlegern hohe Verluste. Durch diese Vorgänge sah sich die Bundesregierung dazu gedrängt, endlich einen besseren Schutz der Verbraucher am sogenannten Grauen Kapitalmarkt festzulegen. Den Gesetzentwurf aus dem Finanz- sowie dem Justizministerium soll das Bundeskabinett am Mittwoch beschließen. Darin wird eine Prospektpflicht für alle Vermögensanlagen eingeführt. Vorgesehen sind auch Werbe- und Vertriebsbeschränkungen sowie Warnhinweise. Außerdem erhält die Finanzaufsicht Bafin mehr Befugnisse und kann Angebote bei Verstößen untersagen.

Die Bundestagsfraktion der Grünen diskutierte am Montag in Berlin die möglichen Auswirkungen der Regierungspläne mit Vertretern von Verbänden, Crowdfunding-Plattformen und Hausprojekten. Das »Crowd-funding«, also das Kapitalsammeln per Internet, hat sich für soziale Initiativen und für Internet-Start-ups als wichtige Finanzierungsform etabliert. Die Gesetzespläne hätten Einfluss auf das »Crowdfunding«, auch wenn die neuen Regeln dafür etwas abgeschwächt sind: Bei solchen Projekten soll ab einer Einzelinvestition von 250 Euro ein Informationsblatt für die Anleger ausreichen, erst ab einer Anlagesumme von 10 000 Euro oder einer Gesamtinvestition von über einer Million Euro muss ein Prospekt erstellt werden. Eine solche Zusammenstellung kann nur von spezialisierten Anwaltskanzleien erarbeitet werden und kostet dort bis zu 50 000 Euro. Solche Summen können etwa Start-ups oder Wohnprojekte häufig nicht, schon gar nicht vor Beginn ihrer Tätigkeiten aufbringen.

Entsprechend befürchten die 15 deutschen Crowdfunding-Internet-Plattformen, dass ihre Geschäfte stark eingeschränkt werden. Christin Friedrich, Geschäftsführerin der Innovestment GmbH, weist darauf hin, dass für Technologieunternehmen durchaus größere Summen nötig sind, damit diese überhaupt starten können. Das Problem sehen auch Vertreter des Mietshäuser-Syndikats, das den gemeinschaftlichen Erwerb von Wohnungen unterstützt - bei solchen Projekten wird die Millionengrenze an nötigen Investitionen schnell überschritten.

Dem Wunsch nach Ausnahmen setzt Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) die Verluste entgegen, die Anleger am Grauen Kapitalmarkt schon häufig erlitten. Das Bundeskriminalamt schätzt diese auf rund 20 Milliarden Euro pro Jahr. Bei Investitionen in Sachwerte, erläutert Mohn, sei die Preisbildung für Laien kaum nachvollziehbar, höchstens Experten könnten die Unwirtschaftlichkeit etwa von Schrottimmobilien erkennen. Aus Sicht der Verbraucherschützer könnten jedoch die Grenzen für die Informationspflichten höher angesetzt werden, damit Genossenschaften und Crowdfunding-Plattformen handlungsfähig bleiben. Eine ausreichende Risikoaufklärung müsse es aber geben, erklärte Mohn insbesondere in Richtung der Wohnprojekte.

Die Crowdfunder fragen sich auch, wie Informationen über die von ihnen gelisteten Vorhaben die Öffentlichkeit erreichen sollen, wenn sie nur in der Fachpresse beworben werden dürfen. Die junge Branche informiert vor allem über die Internetplattformen und beantworte dort öffentlich recht kritische Fragen potenzieller Interessenten. Zudem werde immer darauf hingewiesen, dass bei den Unternehmensgründungen jederzeit ein Totalausfall möglich sei - eben weil es sich um Start-ups handelt. Geldgebern müsse daher deutlicher gemacht werden, dass sich diese Anlagen zur Alterssicherung absolut nicht eignen.

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