Ignorieren funktioniert nicht

  • Kai Budler
  • Lesedauer: 2 Min.
Nachdem seit Jahren überwiegend Antifa-Aktivisten gegen den Naziaufmarsch zum Volkstrauertag in Thüringen protestierten, formiert sich nun auch Widerstand aus der Zivilgesellschaft.

»Wir werden nicht zulassen, dass Neonazis in Friedrichroda wieder den Weg für Verbrechen gegen die Menschlichkeit bereiten«, heißt es in dem Aufruf »Gegen den Neonazi-Aufmarsch in Friedrichroda«. Bundes-, Landes und Kommunalpolitiker, Vertreter von Gewerkschaften und Initiativen und Bürger des Luftkurortes im Thüringer Wald haben das Papier mit ihrer Unterschrift verabschiedet, um in die Zivilgesellschaft vor Ort zu wirken, wie es der DGB-Kreisverbandsvorsitzende Gotha, Olaf Kämpfer, formuliert. Das scheint auch notwendig, denn zum zwölften Mal in Folge haben Neonazis am Sonntag zum Volkstrauertag einen Aufmarsch in der Kleinstadt angemeldet, längst ist die Aktion zum »Heldengedenken« zum zentralen Erlebnis für die Szene im Freistaat geworden.

»Das hat mit Friedrichroda nichts zu tun«, sagt jedoch der parteilose Bürgermeister Thomas Klöppel, denn die Neonazis reisten nur von auswärts an. Wie auch anderswo in Deutschland hatte die Stadt seit Beginn der Aufmärsche eine Strategie des Ignorierens verfolgt und sich stattdessen an den Gegendemonstrationen abgearbeitet. Höhepunkt war eine im vergangenen Jahr vom Stadtrat verabschiedete Resolution mit dem Schlusssatz »Wir brauchen keinen Aufmarschtourismus, weder von rechten noch von linken Gruppen in Friedrichroda. Sie schaden dem Image unseres Urlauberortes erheblich. Darauf können wir gerne verzichten«.

Auch die Aktion der Stadt in diesem Jahr folgt eher der Extremismusdoktrin: mit einer »Roten Karte« in ihren Fenstern sollen die Einwohner einen »Platzverweis für Extremisten« erteilen und zeigen, dass »diese Gruppierungen hier nicht erwünscht sind«. Für eine engagierte Bürgerin in Friedrichroda ist das ein falsches Zeichen: »Ich bin bisher immer hinter der Antifa-Demo her gelaufen, weil sie die einzige Alternative war«.

Auch die Initiatoren des jetzt publizierten Aufrufs unter der Schirmherrschaft des DGB wissen, dass der einzige bislang wahrnehmbare Protest vor Ort aus Antifa-Kreisen organisiert wurde und weisen eine extremismustheoretische Gleichsetzung zurück. Vielmehr will man eine »gemeinsame Sprache« gegen den Naziaufmarsch finden, der bereits zur »unliebsamen Tradition« geworden sei. Dessen Organisatoren haben in diesem Jahr eine ganze Kampagne rund um den Aufmarsch ins Leben gerufen, der Bekanntheitsgrad und die Vernetzung der zentralen Personen soll weitaus mehr Neonazis für den geschichtsrevisionistischen Aufmarsch als in den letzten Jahren mobilisieren.

Auch die Nazigegner wissen, dass es einen langen Atem braucht, um dagegen die Zivilgesellschaft in Stellung zu bringen. Bei den braunen Umtrieben im Luftkurort, so sinnt der DGB-Kreisvorsitzende Kämpfer, »traut man sich ja gar nicht mehr Luft zu holen in Friedrichroda«.

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